Was Kinder so daherreden, ist bisweilen lustig, bizarr oder entzückend unreif ...

Foto: Getty Images/iStockphoto

Über Politik gäbe es genug zu schreiben, aber ich leide momentan an einer fiebrigen Politikallergie und weiche ins Harmlose aus, in den Bereich des Kindermundes nämlich. Was Kinder so daherreden, ist bisweilen lustig, bizarr oder entzückend unreif (während Erwachsene wie etwa Donald Trump oder Harald Vilimsky sich natürlich stets analytisch durchdacht und logisch glasklar artikulieren).

Hier ein paar Exemplare aus unserer innerfamiliären Kindermundchronik, an die wir uns besonders gern erinnern: der Apf (Apfel), das Miesel (Müsli), der Weisweger (Wegweiser) und der Mamakuchen (Marmorkuchen).

Analoge Fehl- und Glanzleistungen gibt es natürlich auch anderswo. Der deutsche Romanist Hans-Martin Gauger berichtet in seinem Sprachwitzbuch Na also, sprach Zarathustra vom Sager eines französischen Kindes: "Zucker ist das, was den Kaffee so bitter macht, wenn man keinen reintut" ("Le sucre, c'est ce qui rend le café si amer quand on n'en y met pas"). Das hat fast schon Karl Valentin'sche Qualität (der in ständiger Furcht vor einem Meteoriteneinschlag lebende Valentin auf den Einwand, dass Meteoriteneinschläge äußerst selten seien: "Bei mir geht Sicherheit vor Seltenheit").

Listenreiche kleine Kaiserin

Zu Apf und Miesel ist jetzt der Apo als Novität hinzugekommen. Mit dieser Verdrehung des landläufigen Opa tituliert mich meine eineinhalbjährige Enkelin Livia. Dies ist umso bemerkenswerter, als sie andere familiäre Funktionsbezeichnungen wie Mama und Papa gänzlich unbearbeitet übernommen hat und ohne jede Permutation wiedergibt (keine Amam, kein Apap).

Was die listenreiche kleine Kaiserin mit der exzentrischen Auswahl des Apo signalisieren will, ist schillernd und unklar zugleich. Ist es eine Anspielung auf meine langjährige Tätigkeit als Redakteur im außenpolitischen Ressort (APO) dieser Zeitung? Auf die Aktivitäten der Außerparlamentarischen Opposition (APO), welche in den Jahren 1968ff. hoch im Kurs stand? Oder will sie gar ausdrücken, dass sie den Krisenkolumnisten für einen verdrehten Großvater hält?

Mitnichten. Ich denke, die Entscheidung wurde aus rein lautlichen Gründen getroffen. Das muss es wohl sein. Wenn man genau hinhört, ist Apo wohlklingender als Opa und geht um vieles süßer ins Ohr. Kein Wunder, dass sich dieses kluge, ästhetisch sensible Kind für den Apo entschieden hat. (Christoph Winder, 5.11.2018)