Halloween ist vorbei, die grausig wankenden Gestalten sind samt ihren Kürbissen abgezogen. Vampirgebiss entschärft, die Schminke zerronnen. Wir haben Blumen auf den Gräbern abgelegt und rote Kerzen für die Ewigkeit, die doch nur eine sehr menschlich begrenzte Zeitspanne umfasst, angezündet.

Wir haben geweint und bedacht und uns an denen erfreut, die noch da sind. Ein reinigender und notwendiger Prozess, eine Kontemplation, bevor der Winter alles mit vermeintlichem Stillstand belegt, bevor es noch früher dunkel wird, bevor wir nach Sonnenstrahlen hungern.

Tiefe Dankbarkeit

Dieses Mal streifte mich der Feiertag auf eine intensive Art und Weise, mehr als sonst. Ich war gerade erst aus dem Spital entlassen worden, ich erinnerte mich noch an die Lampen des Operationssaales, die über mir verschwanden, als die Narkose zu wirken begann.

Dieses kurzfristige Verschwinden als Vorahnung des großen, noch zukünftigen Schlafes. Ja, eine unangenehme, eine verstörende Erfahrung. Und gleichzeitig: die Freude der Wiederkehr, des Erwachens, wenn auch schmerzgebeutelt. Und jeden Tag ein wenig weiter wegkommen von den Gedanken an dieses Verlöschen.

Danach folgt das Gefühl tiefer Dankbarkeit. Dafür, dass man wieder die Augen öffnen konnte, dass Menschen da waren, die einem halfen und einen aufmunterten. Dass man wieder aufstand. Ein wenig herumging. Jeden Tag ein wenig mehr Grenzen querte. Erst aus dem Bett. Dann aus dem Krankenzimmer. Schließlich nach draußen. Dieses Draußen, das kurzfristig so weit weggerückt war.

Und jetzt: Im Blätterwirbel spazieren, im leuchtenden Gelb, der Wind riecht nach feuchtem Laub, und es gibt noch keine Maroni und schon keinen Sturm mehr, und man freut sich auf den Winter, auf Kerzen und Bratäpfel und Zimt.

Und man ist unendlich froh, da zu sein. Das Leben ist ein Fest und eine Feier, manchmal eine Ohrfeige, aber die Ohrfeige nehme ich gern in Kauf, solange eine Wange vorhanden ist, die sie empfinden kann. Hier bin ich Mensch. (Julya Rabinowich, 2.11.2018)