Die Gewerkschaft machte gegen das neue Arbeitszeitgesetz mobil. Jetzt sieht sie sich bestätigt.

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Wandern mit Sebastian Kurz war für diese Demonstration nur der Weg, nicht das Ziel.

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Der Zwölfstundentag ist gut zwei Monate nach Einführung schon wieder reparaturbedürftig. Ausschlaggebend sind Fälle, bei denen die von der Regierung postulierte Freiwilligkeit der Mehrarbeit offenbar nicht gegeben war. Die jüngsten Beispiele veranlassten ÖVP-Klubchef August Wöginger nun zur Ansage, man überlege Strafen, um schwarze Schafe zu sanktionieren. Details lagen vorerst keine vor, doch offenbar sind Verwaltungsstrafen angedacht, wenn die Freiwilligkeit der Überstunden umgangen wird.

Details lagen vorerst nicht vor, doch offenbar sind Verwaltungsstrafen angedacht, wenn die Freiwilligkeit bei der Leistung von Überstunden umgangen wird. Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) meine ebenfalls, dass Missbrauch nicht toleriert werde, wollte aber nicht näher auf allfällige Schritte eingehen.

Gesetz nachgeschärft

Dabei hatten ausgerechnet die Koalitionsparteien bei der Freiwilligkeit nachgeschärft, mit der es nun Probleme zu geben scheint. Ursprünglich war vorgesehen, dass die elfte und zwölfte Arbeitsstunde am Tag vom Beschäftigten nur wegen "überwiegender, persönlicher Interessen" abgelehnt werden dürfe. Kinderbetreuungspflichten wären als solche anzusehen, Freizeitaktivitäten wie Tanzkurs oder Stammtisch eher nicht. Das hatte einen Protestschrei der Arbeitnehmer ausgelöst und zu Nachschärfungen geführt.

Ablehnung ohne Gründe

In einem letztlich beschlossenen Abänderungsantrag der Koalitionsparteien wurde klargestellt, dass die über zehn Stunden hinausgehende Mehrarbeit ohne Angabe von Gründen abgelehnt werden kann. Zudem wurde die Anfechtbarkeit von Kündigungen extra im Gesetz aufgenommen, wenn diese Folge der Verweigerung des Zwölfstundentags sind. Es war das erste Mal, dass ein konkreter Tatbestand Eingang ins Arbeitszeitgesetz fand. Genau diese Regelung müsste in dem aktuellen Fall, in dem einer Hilfsköchin mit Kündigung gedroht wurde, eigentlich greifen. Deshalb gibt es eine gewisse Skepsis, wenn Koalitionsparteien von neuen Sanktionen sprechen.

Arbeitnehmer wollen Sanierung

Die Arbeitnehmervertreter sehen sich angesichts des angedeuteten Einlenkens der Koalition in ihrer Kritik bestätigt und pochen nun auf eine umfassende Überarbeitung des Gesetzes. Es sei von Anfang an darauf hingewiesen worden, dass die neuen Bestimmungen die Freiwilligkeit nicht gewährleisten, weil die betroffenen Arbeitnehmer aus Angst vor Jobverlust die Mehrbelastung in Kauf nehmen. "Das Gesetz ist ein löchriges Konzept, mit der Freiwilligkeit ist es da nicht weit her", sagt Arbeiterkammer-Direktor Christoph Klein zum STANDARD.

AK für "Freizeitzuschlag"

Er zeigt Bereitschaft, die Materie mit den Arbeitgebern und der Regierung neu zu verhandeln und legt dabei einen neuen Vorschlag auf den Tisch. Bei der Ausweitung der Arbeitszeit könnte es einen "Freizeitzuschlag" geben, also eine zusätzliche Kompensation zum ohnehin verpflichtenden Zeit- oder Geldausgleich für Mehrarbeit.

Die Wirtschaftskammer hat im Sommer vor allem Gewinner durch die neuen Regeln zum Zwölfstundentag gesehen. Die Unternehmen würden wettbewerbsfähiger, die Arbeitnehmer erhielten bei Überstundenleistungen entweder mehr Verdienst oder größere Freizeitblöcke.
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Die Variante hat aus Kleins Sicht zwei Vorteile: Es werde dabei eine zusätzliche Hürde eingebaut, damit Arbeitgeber nur in Ausnahmefällen auf den Zwölfstundentag zurückgreifen. Und es werde gleichzeitig die gesundheitliche Belastung der Mehrarbeit abgefedert, sagt Klein.

Rücksicht auf Metallerlohnrunde

Derzeit lässt sich noch schwer sagen, wie stark das neue Arbeitszeitgesetz genutzt wird. Einerseits, weil viele Betriebe den neuen Spielraum noch nicht ausreichend analysiert haben. Andererseits, weil die Wirtschaftskammer die Betriebe ersucht haben soll, die Metallerlohnrunde nicht durch das Ausschöpfen des neuen Rahmens zusätzlich zu stören.

Die Fälle, die zuletzt für Aufregung gesorgt haben, kommen tendenziell aus anderen Branchen. So wurde laut Arbeiterkammer eine Hilfsköchin in Wien mit Kündigung bedroht, wenn sie sich gegen einen Zwölfstundentag zur Wehr setze.

Die "Salzburger Nachrichten" wiederum berichteten von einer Hotel aus einem Wintersportort im Salzburger Bergland, das einem Bewerber einen Dienstvertrag vorgelegt hat, der ausdrücklich die Bereitschaft zum Zwölfstundentag beinhaltet. Bei einem Gehalt von 1.620 Euro brutto wurde eine All-in-Pauschale von 32,62 Euro gewährt, mit der alle Extras – auch Zulagen und Zuschläge – abgedeckt sind. (Andreas Schnauder, 4.11.2018)