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Die Zwischenwahlen in den USA drehen sich fast ausschließlich um Donald Trump, der gar nicht auf dem Stimmzettel steht.

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Wahlkämpfe sind Mobilisierungsschlachten, sagt der Politologe Reinhard Heinisch.

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Amerikanische Wahlen werden in der Regel über die Wahlbeteiligung gewonnen. Der, dessen Anhänger eher zu den Urnen gehen, gewinnt. Wahlkämpfe sind daher weniger Überzeugungskampagnen, sondern Mobilisierungsschlachten. Dabei spielen Emotionen und das Schüren der Angst vor dem Gegner die Hauptrolle. Bis auf zwei Fälle haben alle Präsidenten seit dem Zweiten Weltkrieg bei Midterms Niederlagen eingefangen. Denn zur Mitte der Amtszeit sind die eigenen Wähler mit den politischen Verhältnissen noch eher zufrieden und daher weniger zu mobilisieren. Dagegen brennen die politischen Gegner darauf, es endlich dem Präsidenten und seiner Partei zu zeigen. Allerdings wird das Ganze noch durch lokal relevante Themen und Personen beeinflusst, denn ohne den Präsidenten als Zugpferd auf dem Stimmzettel wird anderes plötzlich wichtiger.

Insgesamt begünstigen die Spielregeln der Midterms tendenziell die Republikaner. Durch die geringere Wahlbeteiligung mangels Präsidentschaftskandidaten als Publikumsmagnet spielt die ideologisierte Basis eine größere Rolle. Diese nimmt dann einen prozentuell größeren Anteil an der Wählerschaft ein, wobei die weit nach rechts gerückten Republikaner eindeutige Vorteile haben. Außerdem gehen ältere und aus der weißen Mittelschicht stammende Amerikaner traditionsgemäß eher zur Wahl als jene Wählergruppen, von denen die Demokraten abhängen, etwa Minderheiten, junge Wähler und jene aus bildungsfernen Schichten.

Abstimmung über Donald Trumps Politik und Person

Das Kuriose an dieser Wahl ist zweifellos, dass sie sich fast ausschließlich um eine Person dreht, die gar nicht auf dem Stimmzettel steht. Donald Trump ist einer der unpopulärsten Präsidenten der jüngeren Geschichte und weist schlechtere Umfragewerte auf als fast alle seine Vorgänger. Wenn man die guten Wirtschaftsdaten berücksichtigt, dann hat Trump angesichts dieser Situation die niedrigste Zustimmungsrate überhaupt. Normalerweise versteckt in so einer Situation die regierende Partei ihren ungeliebten Mann im Weißen Haus und betont lokale Themen. Nicht so dieses Mal.

Sowohl Trump als auch seine Partei nahmen die Herausforderung an und machen die Wahl zu einer Abstimmung über seine Person und Politik. Zum einen liebt Trump das Rampenlicht viel zu sehr, um in Washington zurückzubleiben. Bei Wahlkampfauftritten läuft er vor Fans zu großer Form auf. Er beleidigt, provoziert, schimpft, spaltet das Land und sorgt vor allem für eine große Show, wobei er sich sicher sein kann, dass die Medien über alles genau berichten. Die Orte seiner Auftritte sind strategisch ausgewählt, und die Dauerberichterstattung über ihn nimmt den Demokraten die Luft, eigene Themen zu lancieren.

Republikaner im Vorteil

Die Republikaner profitieren auch vom Wahlmodus, der etwa den drei liberalen Westküstenstaaten so viele Sitze im Kongress einräumt wie den zwölf daran anschließenden konservativen Flächenstaaten. Da die Republikaner auch die Mehrheit der Gouverneure und Landesregierung stellen, haben sie zusätzliche Vorteile. Zum einen ziehen die herrschenden Parteien die Wahlbezirksgrenzen zum eigenen Vorteil, zum anderen kam es in konservativ dominierten Landesteilen zu Verschärfungen bei der Wahlanmeldung. Hierbei wurden mit dem Argument, dem Wahlbetrug durch illegale Einwanderer vorbeugen zu wollen, knappere Fristen und neue Dokumente eingefordert. Das kommt tendenziell den weniger mobilen und eher wohlhabenderen republikanischen Wählern entgegen.

Zudem mussten sich aufgrund des Wahlzyklus im Senat, in dem alle zwei Jahre ein Drittel neu gewählt wird, mehr Demokraten zur Wahl stellen als Republikaner, wobei es unwahrscheinlich ist, dass alle Amtsinhaber wiedergewählt werden. Somit droht rein statistisch gesehen eher den Demokraten der Verlust von Senatssitzen. Lediglich für das Abgeordnetenhaus, in dem alle Sitze neu gewählt werden, versprechen die Umfragen – allerdings nur wenn sie innerhalb der statistischen Schwankungsbreite von zwei Prozent blieben -, seit Monaten einen Wahlsieg der Demokraten. Doch schmilzt hier der Vorsprung mit jedem Tag. Im Durchschnitt wird immer noch ein Nettogewinn von 39 Sitzen für die Demokraten erwartet. Das sind zwar nicht mehr die noch vor Wochen prognostizierten 59 Sitze, es wäre aber dennoch eine bequeme Mehrheit.

Die Demokraten sind in der Offensive

Die Demokraten hoffen auch immer noch auf einen Durchmarsch, eine "blue wave". Diese würde sich, wenn es sie gibt, bald nach dem Schließen der Wahllokale an der Ostküste abzeichnen. Hierbei setzen sie auf die politisch moderaten Vorstädte, vor allem auf Wählerinnen, die mittlerweile von Trump so angewidert sind, dass sie zur Wahl zu bewegen sind. Die Demokraten sind daher klar in der Offensive und haben mehr neue Kandidaten rekrutieren können als in den Wahlen zuvor, darunter eine Rekordanzahl von Frauen. Von den fünf Milliarden US-Dollar, die der Wahlkampf bisher kostete, haben die Demokraten weit mehr aufgestellt als die Republikaner, die von Großspendern abhängig sind. Die Konservativen wiederum versuchen im Mittleren Westen und Westen eine Gegenströmung, eine "red wave", aufzubauen, um Sitzgewinne der Demokraten in den Vorstädten entlang der Ostküste zu konterkarieren. Sollte dies gelingen, würde die Wahlschlacht erst sehr spät in Kalifornien entschieden werden. Dort winkt der Hauptpreis mit den meisten zu vergebenden Sitzen.

Sollte das Repräsentantenhaus in Zukunft von den Demokraten regiert werden, könnten sie Trump das Leben schwermachen. Zum einen würden wohl alle republikanischen Gesetzesinitiativen blockiert werden, zum anderen könnte das Haus seine Kontrollrechte wahrnehmen und alle möglichen Untersuchungen gegen die Administration einleiten. Ein Sieg der Demokraten würde wohl allgemein als Zurückweisung der Trump'schen Politik verstanden werden und auch moderaten Republikanern endlich den politischen Schutz geben, vom Präsidenten abzurücken.

Die laufenden Ermittlungen gegen Trump und sein Umfeld würden neuen Rückenwind erhalten. Andererseits würde eine demokratische Niederlage wohl genau das Gegenteil zur Folge haben. Trump würde den Nimbus eines manipulierten Wahlsiegs endlich los sein. Sein nationalistischer Kurs, sein polarisierender Politikstil, gespickt mit Beleidigungen, Unwahrheiten und Provokationen, würden sich endgültig durchsetzen und allenthalben Nachahmer finden. Die etablierten Medien und Trump-Kritiker müssten sich den Vorwurf gefallen lassen, warum sie trotz allem nicht durchdringen. Die Tage der Untersuchung des Sonderermittlers Mueller wären wohl auch gezählt. Eine weitere Niederlage würde die Demokraten noch mehr in den Strategiekonflikt treiben und auch für die nächsten Präsidentenwahlen nichts Gutes erahnen lassen.

Strategie der Polarisierung

Trump setzt auf seine begeisterungsfähige Basis. Seine Strategie der Polarisierung hilft, weil sie den Entscheidungsprozess von Sachabwägungen auf die Ebene der Gefühle verlagert und Leute zwingt, sich zwischen zwei Extremen zu entscheiden. Die Migrantenkarawane von ein paar Tausend Mittelamerikanern, die Trump zu einer bevorstehenden Invasion hochstilisiert, kommt wie gerufen. Angesichts scheinbarer nationaler Existenz- und Identitätsfragen verblassen Rekorddefizite, Handelskriege, Skandale und außenpolitische Fettnäpfchen. Der gute Arbeitsmarkt und vermeintliche Steuergeschenke tun ein Übriges. Einzig das Thema Gesundheitsvorsorge hat sich ein wenig verfangen und treibt die Republikaner etwas in die Defensive.

Trumps Fähigkeit, seine Wähler über soziale Medien zu erreichen, und seine clevere Kampagne gegen die Presse neutralisieren die Kritiker, wenn es darum geht, Trumps Anhängerschaft zu erreichen. Daher könnte allenfalls die Mobilisierung moderater Wählergruppen einen Umschwung herbeiführen. Allein sie und die Fähigkeit der Demokraten, ihre Basis zu den Urnen zu bewegen, wird die Wahl entscheiden. (Reinhard Heinisch, 4.11.2018)