Schüler und vor allem Schülerinnen wissen um die Relevanz von Frauenrechten. Doch ihre Kenntnisse darüber könnten besser sein.

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Ein Mädchen ist seit acht Wochen schwanger. Sie geht zum Arzt, um die Schwangerschaft abbrechen zu lassen, weil sie kein Kind bekommen möchte. Verboten oder nicht? Das und anderes zum Thema Frauenrechte wollte die Menschenrechtsorganisation SOS Mitmensch von 291 Schülerinnen und Schülern zwischen 13 und 15 Jahren aus drei Neuen Mittelschulen und fünf AHS in Wien wissen. Lediglich 63 Prozent wussten bei der Frage nach dem Schwangerschaftsabbruch darüber Bescheid, dass er in der neunten Woche noch straffrei ist. Beim Wissen über gleiche Bezahlung für die gleiche Arbeit sah es noch schlechter aus: Nur 39 Prozent wussten, dass FirmenchefInnen Männern für die gleiche Arbeit nicht mehr bezahlen dürfen als Frauen.

"Wissen und Bewusstsein um Mädchen- und Frauenrechte ist ein wichtiger Schutzfaktor für junge Menschen", sagt SOS-Mitmensch-Sprecher Alexander Pollak über die Motive für die Pilotstudie. Diese ist zwar nicht repräsentativ, die Ergebnisse lieferten aber "wertvolle Hinweise", so Pollak bei der Präsentation am Montag. Befragt wurden die SchülerInnen nicht nur zu ihren Kenntnissen über Rechte in konkreten Situationen, etwa bei Übergriffen wie einem Griff an den Po (84 Prozent wussten, dass das verboten ist) oder Machtmissbrauch in der Arbeit (71 Prozent wussten, dass der Chef nicht eine Mitarbeiterin kündigen darf, wenn sie nicht mit ihm ausgehen will).

Dringender Informationsbedarf

Ebenso wurde von den Jugendlichen erfragt, ob und was sie über Frauen- und Mädchenrechte im Unterricht erfahren haben. Margarete Bican vom Verein Sprungbrett, Ilse Rollett, Direktorin der AHS Rahlgasse, und Angelika Eisterer vom Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser zeigten sich bei der Studienpräsentation zwar erfreut, dass Schüler und Schülerinnen Frauenrechten einen hohen Stellenwert einräumten, die Wissenslücken würden aber deutlichen Handlungsbedarf aufzeigen.

Obwohl 96 Prozent angaben, dass Frauenrechte wichtig sind – bei den Mädchen waren es sogar 100 Prozent –, erfahren die Jugendlichen in der Schule nicht viel darüber. Über 40 Prozent gaben an, dass im Unterricht noch nie über das Thema gesprochen wurde oder sie sich nicht mehr daran erinnern könnten. Mehr als ein Drittel kann keine Beratungseinrichtung nennen, und zwei Drittel wissen nicht, wohin sie sich bei Gewalt und Belästigung wenden können. Und: Lediglich zehn Prozent der SchülerInnen konnten alle situationsbezogenen Fragen richtig beantworten.

Nur offenkundige Gewalt auf dem Radar

Dass 27 Prozent der SchülerInnen etwa nicht wissen, dass Stalking ein Straftatbestand ist, sei bedenklich, sagt Eisterer, ebenso, dass das selbst bei Zwangsehe 29 Prozent nicht bekannt ist. Wenn nicht einmal alle darüber Bescheid wüssten, dass diese offenkundige Gewalt strafbar ist, sei das auch für das Bewusstsein über subtilere Gewaltformen eine schlechte Nachricht. Eisterer äußert auch Besorgnis darüber, dass die bekannteste Einrichtung, die gegen Gewalt schützen kann, unter den SchülerInnen die Polizei ist – die ebenso erst in drastischeren Fällen geholt werde. Alles "davor" sei demnach nicht auf dem Radar.

Für Margarete Bican ist das Unwissen über die Pflicht von FirmenchefInnen, Männer und Frauen für die gleiche Arbeit gleich zu entlohnen, "erschreckend". Außerdem werde in der Berufsberatung an den Schulen noch immer zu wenig vermittelt, dass jeder Beruf Mädchen und Buben offenstehe. Der Verein Sprungbrett erhalte sehr viele Anfragen von Schulen für gendersensible Berufsberatungen. Bican fordert die Politik auf, den NGO-Bereich zu stärken, um dieser Nachfrage auch nachkommen zu können.

Welche Rolle der Erlass für das Unterrichtsprinzip "Gleichstellung zwischen Männern und Frauen an den Schulen" spielt, schilderte AHS-Direktorin Rollett. Der Erlass wurde im Frühjahr gestrichen, seit 31. Oktober liegt nun die angekündigte Neuformulierung vor. Für Lehrer und Lehrerinnen ist der Erlass eine rechtliche Grundlage für genderspezifische Inhalte in ihrem Unterricht – und sei somit für die Schulen schon wichtig, erklärt Rollett. Die Neuformulierung hat ihrer Einschätzung zufolge einen starken Fokus auf Buben und Mädchen, eine Öffnung hin zu LGBTIQ-Themen und ein Hinausdenken über der Zweigeschlechtlichkeit, wie es neuere feministische Theorien vorschlagen, fehle. Dafür würden aber im Gegensatz zum alten Erlass auch neue Themen hereingeholt, etwa Religion und Kopftuch.

Einfach Gleichberechtigung

Für die NGOs ergibt sich aus dem Umfragenergebnis die Forderung nach einer österreichweiten Erhebung über den Wissenstand von SchülerInnen zu Frauen- und Mädchenrechten. Die vorliegenden Ergebnisse zwischen Wissensdurst und großen Bildungslücken decken sich jedenfalls mit dieser Forderung. Die SchülerInnen selbst wünschen sich laut der Umfrage zuallererst – ganz allgemein – Wissen über Gleichbehandlung und rechtliche Gleichstellung, gefolgt von Infos zur Schließung der Lohnschere und zu sexualisierter Gewalt. Oder, wie es eine Schülerin konkret ausdrückte: "Ich wünsche mir, dass Männer Frauen nicht als schwach oder Gegenstände betrachten. Ich wünsche mir einfach nur Gleichberechtigung." (Beate Hausbichler, 5.11.2018)