Erstmals Kuratoren: Juman Malouf und Wes Anderson.

KHM-Museumsverband

Schweine, Schildkröten und Eulen aus den Tiefen des Museums: Wes Anderson und Juman Malouf präsentieren u. a. tierische Sammelstücke in ausgeklügelten Anordnungen.

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Wenn man sich im Internet auf die Suche nach Objekten macht, die aus Filmen von Wes Anderson im Gedächtnis blieben, wird man rasch fündig. Auf sorgfältig gestalteten Assemblagen von Fans sind rote Matrosenmützen, Waschbärhauben oder Schweißbänder zu sehen, die man noch durch Benjamin-Britten-LPs, Alt-Wiener-Konditoreiverpackungen und Panamahüte ergänzen könnte.

Ausstattung, Dekor und Kostüm haben im Werk des US-Regisseurs stilbildende Kraft. Man könnte sagen, sie durchwirken die streng komponierten Bilder wie Talismane. Zugleich bezeugen sie viel Zuneigung zu schönen Dingen. Mit Grand Budapest Hotel ließ Anderson überdies erkennen, dass er auch dem verblichenen Glanz der altösterreichischen Monarchie etwas abgewinnen kann. Das Budapester Gellért diente als Vorbild für einen Schauplatz, in dem es von Querverweisen auf die Welt von gestern nur so wimmelte.

Dass Anderson nun gemeinsam mit seiner Frau Juman Malouf, einer Autorin und Illustratorin, eine Ausstellung für das Kunsthistorische Museum kuratiert hat, passt deshalb gut ins Bild. Die Institution stellt mit ihren 14 Standorten und Depots bekanntlich die Schatzkammer der kakanischen Sammlungslust und -wut dar. Nach Ed Ruscha und Edmund de Waal sind Anderson und Malouf die dritten zeitgenössischen Künstler, denen man Zugang zu den 4,5 Millionen Objekten des Hauses gewährte – eine Carte blanche oder "Carte grise", wie Kurator Jasper Sharp meinte, da nicht alles verfügbar war.

Freude an der Artenvielfalt

Anderson und Malouf gingen der Aufgabe mit Hingabe nach – auch weil sie als regelmäßige Wienbesucher das Museum bereits kannten. In ihre Ausstellung Spitzmaus Mummy in a Coffin and Other Treasures haben es jedoch ausnahmslos nur Objekte geschafft, die sonst im Abseits oder überhaupt seit Ewigkeiten im Lager verharren. Anderson und Malouf heben aus der Überfülle der Sammlung Kuriositäten hervor, die das Rampenlicht noch nicht kennen. Skurriles, Abwegiges, Bestaunenswertes. Objekte, die erst in neuen ungewohnten Ensembles oder, umgekehrt, aus alten Ordnungen herausgerissen ihre Wirkkraft entfalten.

Die titelstiftende Spitzmaus, welche die Ehre der Mumifizierung samt eigenem Minisarg erfuhr – ihr Spezialdraht zur Göttin des Himmels war dafür ausschlaggebend –, spiegelt das Prinzip gut wider. Sie erhält nun eine eigene Glaskastenbühne. Marginales, Exzentrisches und bevorzugt Kleinformatiges kommt in dieser dichten Schau so gegenüber dem Ausladenden, Meisterlichen, ja Seriösen zum Zug. Geordnet nach Kriterien, die manchem Kunsthistoriker wohl den Kopf wutrot färben. Ein Raum, der nur Objekte in Grünnuancen vereint, weist etwa neben Erika Pluhars Theaterkostüm aus Hedda Gabler ausgestopfte Blaukappentangare aus Brasilien auf. Die Symmetrien in den Vitrinen sind, wie Andersons Bilder, makellos harmonisch komponiert. So machen die mehr als 400 Objekte nicht nur aus der Nähe staunen, sondern auch aus der Distanz, wenn sie sich setzkastenartig vor dem Betrachter formieren.

Foto: KHM Museumsverband

Das Kuratorenpaar gelangt mit seinem naiven Zugang, der sich eher an äußerlichen Ähnlichkeiten orientiert, geradewegs zurück zur Idee der Kuriositätensammlung, die der institutionalisierten, ungleich staatstragenderen Form des Museums vorausging. Augenscheinlich wird das besonders bei jenen Objekten, in denen der ironisch-liebevolle Blick Andersons aus den Filmen Widerhall findet. Jede Wand will auch als Wunderwand wirken, jeder Raum als geschlossenes System, das den Dingen neuen Glanz überstreift. Besonders gut funktioniert das mit Objekten aus der Tierwelt, darunter Schildkrötenskelette, eine zierliche Glasqualle oder ein Rattanschwein. Überhaupt ist das Animalische gut präsent. Schon im ersten Raum wird man von einer gemalten Haarmenschenfamilie wie aus einer Fabelwelt (aus dem 16. Jahrhundert) begrüßt.

Acht enge Räume sind es insgesamt, manchmal durch gemeinsames Material wie Holz geeint, manchmal dadurch, dass sich ausschließlich Infantenporträts ein "Kinderzimmer" mitsamt einer Ritterrüstung teilen. Anderson selbst gibt wenig über seine Absichten preis. Er wolle auf generationenlange Auseinandersetzungen mit Kunst Einfluss nehmen, schreibt er im Katalog – "auf geringfügige, vielleicht sogar belanglose, auf jeden Fall feststellbare Weise".

Man muss sich dazu eine dieser ernsthaften Erzählstimmen aus seinen Filmen vorstellen. Dann hat man den richtigen Einstieg in diese Wunderkammer, die vermutlich nicht mehr will, als die kleinen Dinge endlich so ins Schaufenster zu rücken, dass ihre Eigentümlichkeit berührt. (Dominik Kamalzadeh, 6.11.2018)