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US-Verteidigungsminister James Mattis, links im Bild mit US-Präsident Donald Trump, hat zuletzt einen Waffenstillstand im Jemen-Konflikt gefordert.

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Aktivisten bringen einen Monat nach der Ermordung Jamal Khashoggis ein Straßenschild vor der saudischen Botschaft in London an.

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Während der brutale Mord an Jamal Khashoggi weltweit für Empörung sorgt und europäische Abgeordnete zu einem Waffenembargo gegen Saudi-Arabien aufrufen, haben die westlichen Regierungen bisher uneinheitlich auf den Mord reagiert. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel beispielsweise hat sich für einen einstweiligen Stopp von Waffenexporten nach Saudi-Arabien eingesetzt. Dagegen hat der französische Präsident Emmanuel Macron ein sofortiges Waffenembargo als "reine Demagogie" bezeichnet.

Auch die US-Reaktion ist bisher uneinheitlich. Donald Trumps abwartende Haltung hat viele Beobachter in den USA verärgert, darunter republikanische Senatoren. Trotz der politisch aufgeheizten Stimmung vor den Zwischenwahlen haben Vertreter beider Parteien Trump zu einer strengen Haltung gegenüber Riad aufgerufen. Es bleibt abzuwarten, ob diese parteienübergreifende Übereinstimmung fortbesteht und der Kongress den Druck auf die Regierung aufrechterhalten wird. Sollten sich die Parteiführer dazu entscheiden, amerikanische Waffenverkäufe und militärische Hilfe für Riad einzustellen, könnte das die Beziehungen zwischen den USA und Saudi-Arabien grundlegend verändern.

US-Deals mit den Saudis

Schon früh wurde deutlich, dass Trumps wichtigstes Anliegen die Bewahrung "seines" Rüstungsgeschäfts mit Saudi-Arabien über 110 Milliarden Dollar ist (tatsächlich wurden die Gespräche darüber bereits unter Präsident Barack Obama geführt). Trump argumentiert, dass eine langfristige Aussetzung von Waffenexporten auch andere, nichtmilitärische saudische Investitionen im Wert von 450 Milliarden Dollar in Gefahr bringen könnte, von denen eine Million amerikanische Arbeitsplätze abhängen würden – diese Zahlen sind allerdings übertrieben. Mehrfach wiesen Trumps Berater darauf hin, dass die geschäftlichen und strategischen Beziehungen mit Saudi-Arabien zu wichtig seien, um durch den Tod eines Journalisten beschädigt zu werden.

Die Trump-Regierung betrachtet Saudi-Arabien – neben Israel – als engen Verbündeten im Nahen Osten und als wichtigen Partner, um den Einfluss des Iran in der Region einzuhegen. Zwar ätzte Trump, dass die saudische Verschleierung des Mordes an Khashoggi "eine der schlechtesten Vertuschungsaktionen in der Geschichte" sei – fraglich ist aber, ob das Weiße Haus auch bereit ist, weitreichende Maßnahmen gegen die saudische Führung einzuleiten.

Scharfe Reaktionen von Senatoren

Von Beginn an waren Senatoren beider Parteien misstrauisch gegenüber den saudischen Erklärungen für Khashoggis Verschwinden. So forderte Lindsey Graham, enger Trump-Verbündeter, die Regierung dazu auf, "Saudi-Arabien zu Tode zu sanktionieren". Der republikanische Senator Rand Paul, der Trump in vielen Fragen unterstützt, plädierte sogar für die Einstellung von Waffenexporten nach Saudi-Arabien. In einem Brief an Trump forderten 22 Senatoren beider Parteien die Regierung dazu auf, Ermittlungen in dem Mordfall einzuleiten.

Es gibt mehrere Gründe für die scharfe Reaktion der Senatoren. Erstens trug die Tatsache, dass Khashoggi eine US-Aufenthaltsgenehmigung hatte und für die "Washington Post" eine Kolumne schrieb, sicherlich dazu bei, dass seine Ermordung – im Gegensatz zu vielen anderen saudischen Menschenrechtsverletzungen – im US-Kongress große Beachtung fand. Zweitens wollten die Senatoren zeigen, dass der Kongress Trumps Politik behindern kann. Einige Senatoren befürchteten, dass die Trump-Regierung zu "businsess as usual" mit Riad zurückkehren würde, sobald der Khashoggi-Fall von anderen Themen überlagert würde. Die meisten der republikanischen Senatoren, die den Aufruf an Trump unterzeichneten, befinden sich nicht im Wahlkampf und standen daher nicht unter Druck, sich an Trumps Position anzupassen. Drittens wollten die Senatoren zeigen, dass der Kongress sich auch dann gegen Menschenrechtsverletzungen ausspricht, wenn die Regierung dazu nicht bereit ist. Letztlich befürchten einige Abgeordnete wohl auch eine Diskussion über saudische Einflusskampagnen in Washington – eine Debatte, die bereits begonnen hat. Die scharfe Haltung kann deshalb auch als Vorwärtsverteidigung interpretiert werden, mit der einige Senatoren ihre kritische Distanz zu Riad aufzeigen wollten.

Mehr Druck nach den Midterm-Elections?

Als deutlich wurde, dass die Trump-Regierung nicht um eine stärkere Verurteilung des Mordes herumkommt, kündigte Außenminister Mike Pompeo zwar Sanktionen gegen saudische Individuen an, betonte aber gleichzeitig die Bedeutung der gemeinsamen strategischen Interessen mit Saudi-Arabien. US-Verteidigungsminister James Mattis hat zuletzt zwar einen Waffenstillstand im Jemen-Konflikt gefordert, die Nähe der Trump-Regierung zu Riad muss dadurch aber nicht beschädigt werden.

Falls die Demokraten bei den Midterm-Elections das Repräsentantenhaus zurückgewinnen sollten, werden sie wahrscheinlich Änderungen der US-Beziehungen mit Riad einfordern, schon allein, um Trumps Nahostpolitik anzufechten. Der Auswärtige Ausschuss des Repräsentantenhauses könnte zum Beispiel den Verkauf amerikanischer Waffenexporte nach Riad behindern. Kongressabgeordnete beider Parteien werden bei dieser Entscheidung allerdings auch auf die Interessen der US-Verteidigungsindustrie Rücksicht nehmen, die eine starke Lobby im Kongress unterhält und viele Amerikaner beschäftigt. Eine vollständige Umkehrung der US-saudischen Verteidigungskooperation ist daher vorerst unwahrscheinlich.

Die europäische Position

Die Haltung der USA gegenüber Saudi-Arabien wird auch in Europa verfolgt, und einige europäische Staaten könnten der zögerlichen Politik der Trump-Regierung folgen. Europäische Politiker wie Macron verweisen darauf, dass sie erst abwarten wollten, bis Fakten zum Mord an Khashoggi vorliegen. Schon jetzt deutet aber vieles darauf hin, dass die Tötung nicht ohne Kenntnis von politischen Entscheidungsträgern in Riad hätte durchgeführt werden können. Die Europäer sollten sich in ihrer Position deshalb nicht an der abwartenden Haltung Washingtons orientieren, sondern sich entschieden gegen Menschenrechtsverletzungen stellen und strenge Maßnahmen gegenüber Riad umsetzen. Ein Waffenembargo würde diesbezüglich ein wichtiges Zeichen setzen. (Dominik Tolksdorf, 6.11.2018)