Der Zweimaster Avontuur ist bereits über den Atlantik unterwegs.

Foto: Paul Bentzen

Die Brigantes soll 2020 folgen und pro Fahrt bis zu 200 Tonnen emissionsfrei transportieren können.

Foto: Brigantes Shipping Ltd.

Der Kaffee wird in einer fünfmonatigen Reise über den Atlantik gesegelt.

Foto: Brigantes Shipping Ltd.

Besatzung anheuern, Segel setzen und in See stechen. Bei günstigem Wind liegt das Schiff nach sechswöchiger Fahrt vor der Küste Südamerikas. Dort Ladung aufnehmen, Kaffee, Kakao oder Rum. Zurück in der Alten Welt wird die Ladung gelöscht, und nächstes Jahr eine neue Fahrt!

Was nach einem nicht besonders leichten Arbeitsleben aus dem 18. oder 19. Jahrhundert klingt, als weder Kohle noch Schweröl schwere Frachter antrieben, erlebt in der Gegenwart neuen Auftrieb: Anno 2018 ist Segeln nicht mehr nur Freizeitbeschäftigung, sondern wieder eine Tätigkeit, bei der Ladung aus fernen Ländern nach Europa gebracht wird.

Eine Handvoll Frachtsegler kreuzt bereits vor den Küsten Europas. Doch bisher können nur zwei davon die fast sechsmonatige Reise über den Atlantik und zurück bewältigen. Der eine ist der Zweimaster Avontuur der deutschen Reederei Timbercoast, der andere die Tres Hombres der niederländischen Fairtransport.

2020 soll nun ein dritter Segler in See stechen, der die transatlantische Kapazität der Sail-Cargo-Bewegung erheblich erweitern wird – die Brigantes. Die Import-Export-Geschäfte rund um diesen neuen Großsegler werden von Wien aus betrieben.

Doch die Geschichte der Brigantes beginnt in Flensburg. Bei einer Regatta werden dort historische Schiffe ausgestellt. Oscar Kravina, begeisterter Bootsbauer aus Italien, besichtigte dort den berühmten historischen Großsegler Eye of the Wind, gebaut 1911, der schon in Hollywood-Filmen wie "Die blaue Lagune" oder "Insel der Piraten" seine Auftritte hatte. Oscar Kravina erfuhr hier, dass der Luxussegler vermutlich ein Schwesternschiff hat.

Ein Fund auf Sizilien

Schließlich fand er dieses auch. Nach einer Karriere in der italienischen Handelsflotte lag es halbverrottet in einer verlassenen Ecke des Hafens von Trapani auf Sizilien. Dort wird es nun auf Vordermann gebracht: Schiffsbauexperten kümmern sich mit Freiwilligen um die Restaurierung der alten Dame. Eine erste Phase, in der der Rumpf wiederhergestellt wird, soll bald abgeschlossen sein. Dann wird sie aufs Wasser gesetzt, und die Aufbauarbeiten der Phase zwei beginnen.

Diese Geschichte erzählt Daniel Kravina, Oscars Bruder, der seit vielen Jahren in Wien lebt. Gemeinsam mit dem deutschen Schiffsingenieur Tobias Blome hat das Brüderpaar die Kommandobrücke des Brigantes-Projekts erklommen. Daniel Kravina kümmert sich um die kommerziellen Aspekte, Fundraising und Marktaufbau. Er will Produkte, die per Segelschiff transportiert wurden, in die Regale bringen.

Doch warum überhaupt? Niemals wird man mit den Schweröl betankten Ozeanriesen konkurrieren können, die für die Atlantiküberquerung nur eine paar Tage brauchen und die tausendfache Fracht aufnehmen können. Dazu kommt man bei Flaute nicht vom Fleck oder, wie Kravina sagt: "Wir sind nicht Amazon."

Natürlich ist es für viele in der Community eine Liebhaberei. In der Szene spielen Aussteiger keine unbedeutende Rolle. Es gehe aber auch um Bewusstseinsbildung, sagt Daniel Kravina. "Unser Ziel ist, Konsumenten darauf aufmerksam zu machen, dass nicht nur wichtig ist, wie etwas produziert wird, sondern auch, wie diese Ware zu uns kommt." Beim Segeln wird weder die Umwelt verschmutzt noch der Klimawandel angeheizt und damit keine Kosten auf Allgemeinheit oder künftige Generationen abgewälzt. Segeln ist "zero emission".

Feuergerösteter Kaffee

Die Kravinas möchten sich auf Produkte konzentrieren, "die hier nicht wachsen", und dem Transport dabei einen neuen Sinn geben. Wird der Kaffee in einer fünfmonatigen Reise über den Atlantik gesegelt, wird er zu etwas Besonderem. Und Kaffee soll es in Zukunft vor allem sein.

Ein Teilhaber – das Projekt finanziert sich zum großen Teil aus Miteigentümerschaft – ist eine Rösterei, ein Familienbetrieb. Der feuergeröstete Kaffee soll zum Hauptprodukt werden. Zielgruppe sind etwa Gastronomiebetriebe, die auf ökologische Produkte setzen. Zum Schinken aus der Region kommt dann ein Kaffee, der eine Geschichte von Idealismus und Naturverbundenheit zu erzählen hat.

Mit den 200 Tonnen Transatlantikkapazität der Brigantes wird jene von Avontuur und Tres Hombres zusammen noch einmal verdoppelt – ein Volumen, das auch für größere Unternehmen interessant sein könnte. Einer der drei "Hombres" des niederländischen Projekts ist übrigens ein Grazer, man konzentriert sich dort auf gesegelten Rum.

In Vorbereitung auf den eigenen Schiffsverkehr hat das Brigantes-Team bereits Waren von der Avontuur aus Südamerika herholen lassen – etwa Kakao, aus dem die Schokoladenmanufaktur Zotter ein eigenes Produkt gemacht hat. Und auch der erste gesegelte Kaffee ist da.

Aber geht man bei diesem Aufwand nicht finanziell über die Planke? "Im Container kostet der Transport eines Kilos Kaffee von Brasilien nach Triest etwa sieben Cent, per Segelschiff zweieinhalb Euro", rechnet Daniel Kravina vor.

Bei der Kaffeespezialität, die der Brigantes-Shop um 14,50 Euro pro halbes Kilo verkauft, ist der Transportanteil lediglich ein guter Euro. Neben einer Transatlantiktour pro Jahr soll die Brigantes zudem durchs Mittelmeer kreuzen und dort mit Transportangeboten durchaus konkurrenzfähig sein. Ein paar Touristen wird man auch noch mitnehmen können. Der Wind ist da, man muss nur die Segel setzen. (Alois Pumhösel, 7.11.2018)