Eine spätbronzezeitliche Begräbnisstätten. Die als Khirigsuurs bekannten kleinen Bauwerke werden mit frühen Viehhirten in der Mongolei in Verbindung gebracht.

Foto: Bruno Frohlich

Jena – Käse und andere Milchprodukte spielen in der Menschheitsgeschichte eine bedeutende Rolle. Bereits vor über 7.000 Jahren haben frühe Viehalter festgestellt, dass weiterverarbeitete Milch viel bekömmlicher ist als Rohmilch. Damals, im Frühneolitikum, litt nicht nur die europäische Bevölkerung noch weitgehend unter Laktoseintoleranz. Mit anderen Worten: Der Milchzucker wurde im Darm nur schlecht abgebaut. Die Folgen reichen von Blähungen über Übelkeit und Krämpfe bis zu schweren Durchfällen.

Die Milchweidewirtschaft fand in den folgenden Jahrtausenden auch ihren Weg in die mongolische Steppe, was den dortigen Hirtenvölkern dabei half, in weiterer Folge den größten Teil Asiens und Europas zu erobern. Wie diese Lebensform ursprünglich in die Region gelangt ist, war allerdings lange Zeit unklar. Nun haben internationale Forscher Belege dafür entdeckt, dass die Milchviehhaltung bereits vor über 3.000 Jahren durch einen Prozess kultureller Übertragung in die Mongolei kam.

Kultureller Austausch

Grundlage der neuen Erkenntnisse bilden Analysen von Milchproteinen, die in archäologischem Zahnstein konserviert sind. Die gemolkenen Tiere – Rinder, Schafe und Ziegen – stammen ursprünglich nicht aus der Region und wurden wahrscheinlich von westlichen Steppenhirten eingeführt. Dennoch wiesen DNA-Analysen bronzezeitlicher Bewohner der Mongolei nur minimale genetische Beiträge von westlichen Steppenhirten auf. Das deutet darauf hin, dass Milchtierhaltung und Molkereitechnologien – im Gegensatz zu dem in Europa beobachteten Muster – nicht durch große Wanderungsbewegungen, sondern durch kulturelle Prozesse übertragen werden.

Das Team um Christina Warinner vom Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte untersuchte menschliche Überreste von sechs Standorten in der nördlichen Mongolei, die mit dem Hirschstein-Khirigsuur-Komplex in Verbindung stehen. Diese früheste Kultur, die archäologisch mit der Naturweidewirtschaft in der Mongolei verbunden ist, lieferte jedoch bisher keine direkten Belege für den Milchkonsum in dieser Region.

Milchvieh kam nicht per Wanderbewegung

Bei zwei der untersuchten Individuen wurde eine vollständige Genomanalyse durchgeführt. Diese Analyse zeigte, dass sich diese bronzezeitlichen Mongolen genetisch von den Hirten der westlichen Steppe zu dieser Zeit unterschieden. Das deutet darauf hin, dass das Vorkommen von Milchvieh in der Mongolei nicht das Ergebnis einer Bevölkerungswanderung oder eines Austauschs der Bevölkerung war.

"Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass benachbarte westliche Steppenhirten den Milchpastoralismus direkt oder indirekt vor allem durch einen kulturellen Austausch in die einheimische Bevölkerung eingeführt haben", erklärt Choongwon Jeong, einer der Erstautoren der im Fachjournal "Pnas" veröffentlichten Studie. "Wir sehen keine Belege für die Art von großflächigem Bevölkerungsersatz durch Hirten der westlichen Steppe, wie sie im bronzezeitlichen Europa oder in der nahegelegenen Altai-Sayan-Region beobachtet wurde."

Laktoseintolerante Mongolen

Die Wissenschafter analysierte auch den Zahnstein von neun Individuen. In sieben davon wurden Milchproteine gefunden, was bestätigt, dass Milchprodukte bereits 1300 vor unserer Zeitrechnung konsumiert wurden. Es wurden dabei sowohl Molke- als auch Topfen-Proteine gewonnen, die Schafen, Ziegen und Rindern zugeordnet werden konnten. Interessanterweise war keines der Individuen Laktase persistent, das heißt genetisch in der Lage, Milchzucker zu verdauen. Die meisten Mongolen sind auch heute nicht Laktase persistent, obwohl sie einen großen Teil ihrer Nahrung in Form von Milchprodukten konsumieren.

"Das 3.000 Jahre alte Erbe der Milchviehhaltung und -wirtschaft in der Mongolei stellt uns damit vor herausfordernde Fragen", meint Warinner. "Es kann uns als Modell dienen, um zu verstehen, wie andere Anpassungen, wie zum Beispiel kulturelle Praktiken oder Veränderungen des Mikrobioms, an der Entstehung und Erhaltung von Küchen auf Milchbasis auf der ganzen Welt beteiligt sein können." (red, 7.11.2018)