Zum 80. Jahrestag der Novemberpogrome gegen die jüdische Bevölkerung will die Regierung Zeichen setzen – vor allem bei einem speziellen Gedenkprojekt möchte Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) die Realisierung vorantreiben: Für die Gedenkmauer in Wien, die der 1939 vor den Nazis geflüchtete Kurt Yakov Tutter schon seit der Jahrtausendwende errichten will, wird der Bund bis zu 4,5 Millionen bereitstellen, wie man dem STANDARD im Kanzleramt bestätigte. Die Errichtung des Mahnmals, auf dem die Namen aller 66.000 jüdischen Holocaust-Opfer hierzulande eingraviert werden sollen, war zuletzt nämlich ins Stocken geraten.

Standort bald geklärt

Hintergrund: Zwischen Bund und Stadt Wien waren Fragen des Standorts sowie die Aufteilung der zwischen 4,8 und 5,3 Millionen Euro geschätzten Kosten noch offen. Tutter selbst hoffte, dass die Mauer auf dem Schmerlingplatz in unmittelbarer Nähe des Parlaments errichtet werden kann, die Stadt sprach sich für einen Bau auf dem Heldenplatz aus. Nach einigem Hin und Her kam es nun zu einem Kompromiss zwischen Wien und Tutter: Derzeit wird geprüft, ob das Mahnmal nun im Ostarrichipark vor der Nationalbank im neunten Bezirk gebaut werden soll.

Setzt sich für die Namensmauer ein: Kurt Yakov Tutter. Der aus Österreich vertriebene Kanadier zeigte sich erfreut darüber, dass sein Projekt nun umgesetzt wird.
Foto: Dragan Tatic

Dazu erklärt Kurz, der Tutter Dienstagnachmittag wegen des Projekts empfangen hat: "Herr Tutter musste viele Jahre vergeblich auf die Unterstützung warten. Als Bundeskanzler ist mir die Verantwortung der Erinnerung an die Ermordung der Juden durch das NS-Terrorregime zu wichtig, um weiter Zeit zu verlieren."

Für Tutter ein wichtiger Moment: "Es freut mich, dass nach so vielen Jahren Überzeugungsarbeit genau im Gedenkjahr der Startschuss für die Realisierung der Namensmauer gegeben wird." Sein Dank richtete sich vor allem an Kurz.

Doppelpässe geplant

Keine Zeit mehr verlieren will auch Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ebenfalls ÖVP), der Ende der Woche wie Kurz für einen Gedenkakt im Parlament rund 70 Holocaust-Vertriebene empfängt: "Österreich hat nicht nur lange Zeit die Aufarbeitung seiner eigenen Geschichte verabsäumt, sondern in den Nachkriegsjahren auch ehrliches Bemühen vermissen lassen, diese Menschen einzuladen, wieder nach Hause zu kommen", bekennt er. Dadurch seien dem Land "Menschen, die viel für Österreich geleistet hatten, sowie Kultur und Intellekt" verlorengegangen.

Kanzler Sebastian Kurz sprach bei seinem Israel-Besuch im Juni eine Einladung an Holocaust-Überlebende aus: Dieser Tage besuchen sie Wien.
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Im Regierungsübereinkommen hat Türkis-Blau unter dem Punkt "Staatsbürgerschaftsgesetz neu gestalten" übrigens festgehalten, dass eine "Doppelstaatsbürgerschaft für Nachfahren der Opfer des Nationalsozialismus aus Österreich" überlegt werde. Das hat Kurz unlängst in einem Interview mit der Londoner Wochenzeitung Jewish Chronicle bekräftigt: "Wir wollen allen Kindern und Enkelkindern von Opfern des Holocaust die Möglichkeit geben, österreichische Staatsbürger zu werden – wenn sie das wollen."

Auch blaue Ressorts bemüht

Auf STANDARD-Anfrage bestätigen auch FPÖ-geführte Ressorts dieses Ansinnen. "Ein Entwurf befindet sich in Ausarbeitung", versichert man im Innenressort von Herbert Kickl (FPÖ). Zeitpunkt, Details und Voraussetzungen für den österreichischen Pass stünden aber noch nicht fest. Und auch im Außenministerium von Karin Kneissl hält man zu den anvisierten Doppelpässen fest: "Das Vorhaben ist im Regierungsprogramm vereinbart – und wird sicher umgesetzt." (Marie-Theres Egyed, Nina Weißensteiner, 6.11.2018)