In der Serie alles gut? denkt STANDARD-Redakteur Andreas Sator über eine bessere Welt nach – und darüber, welchen Beitrag er leisten kann. Melden Sie sich hier für seinen kostenlosen Newsletter an.

Ich lege nicht sehr viel Wert darauf, was ich anhabe – und bisher auch nicht darauf, wo ich Kleidung kaufe. Da einmal zu H&M, ein Zara um die Ecke, eine Levi's-Hose. Mir ist aber eigentlich gar nicht egal, unter welchen Bedingungen meine Leiberln, die großteils in ziemlich armen Ländern in Asien produziert werden, entstehen. Aber wie informieren?

Sie lesen alles gut?, eine Serie, in der ich über eine bessere Welt nachdenke. Ich will lernen, welchen Beitrag ich leisten kann, und verstehen, wie die Welt so wurde, wie sie ist. Weil ich weiß, dass ich damit nicht allein bin, nehme ich Sie auf meine Reise mit. Melden Sie sich für meinen kostenlosen Newsletter an – ich halte Sie auf dem Laufenden.

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Worauf kann man beim Auswählen von Kleidung achten?
Foto: reuters / CHERYL RAVELO

Also, wie kann ich mich über meine Kleidung informieren? Egal bei welchem Hersteller, auf der jeweiligen Homepage wird man schnell fündig. Die vielen Skandale, Proteste und Unfälle der Vergangenheit sorgen dafür, dass es sich kaum eine Marke leisten kann, sich nicht damit zu befassen.

So findet man bei Zara-Mutter Inditex Regeln für Zulieferer, auch Levi Strauss und H&M erklären sich. Aber ist das vertrauenswürdig? Glaube ich dem Bäcker, wenn er mir sagt, er verkauft die besten Semmeln der Welt?

Lieber nicht. Die Clean Clothes Campaign hilft weiter, eine NGO mit einigem Einfluss, die sich seit langem für bessere Bedingungen in der Industrie einsetzt. Sie fordert die Unternehmen dazu auf, ihre Zulieferer offenzulegen. Die großen Textilfirmen lagern die Produktion großteils aus.

Wer nicht preisgibt, wo Fabriken stehen, wird dafür schon seine Gründe haben. Und siehe da: Zara ist verschwiegen, H&M hingegen sehr offen. Auch Levi Strauss, C&A, Nike oder Adidas sind transparenter, Kik, Ralph Lauren oder Mango gar nicht. Gut zu wissen.

Vor vier Jahren hat die NGO Firmen darauf untersucht, wie sehr diese darauf achten, ob Mitarbeiter in der Lieferkette von ihrem Lohn leben können. Ich habe etwa schon ältere Laufschuhe von New Balance, einer US-Firma, die sehr schlecht abschneidet – und einmal per Mail nachgefragt, warum das so ist.

Ich habe also erste Hinweise, aber das reicht noch lange nicht. Ich will mehr wissen und rufe Nunu Kaller an. Sie ist Konsumentensprecherin bei Greenpeace. Worauf soll ich beim Einkaufen achten?

Die Umwelt! "Ein Viertel der weltweiten Insektizide landet auf Baumwolle. Wenn Stoffe gefärbt werden, beim Spinnen, beim Bedrucken, bei allem, was mit Wasser zu tun hat, ist der Einsatz von Chemikalien irre", sagt Kaller. Greenpeace hat deshalb die sogenannte Detox-Kampagne gestartet. 76 Modemarken haben sich dazu verpflichtet, bestimmte Chemikalien nicht mehr einzusetzen.

Bis 2020 läuft die Maßnahme, online kann man nachsehen, wie weit die Firmen mit der Umsetzung sind. Nike – eine Marke, die viele meiner Sportsachen produziert – ist hintennach. H&M und Zara sind beispielsweise Vorreiter.

Aber: Die beiden Konzerne treiben "fast fashion" führend mit an. Darunter versteht man, dass Läden Kollektionen ständig erneuern, rasch auf Trends auf- und wieder abspringen. Erstens, sagt Kaller, erhöhe das den Druck auf die Menschen in den Fabriken, zweitens sei das mitverantwortlich für den steigenden Einsatz von Polyester.

60 Prozent der Kleidung würden schon aus Polyester hergestellt, mit Baumwolle könne man nicht so schnell produzieren. "Das große Problem damit ist – außer dass es schlicht Erdöl ist – das Waschen", sagt Kaller. "Dabei lösen sich Fasern. Mikroplastik landet in Flüssen und im Meer, es baut sich nicht ab, sondern wird immer kleiner und kleiner, landet in Fischen und unserem Darm."

Was also tun? "Grundsätzlich rate ich, sich Einkäufe gut zu überlegen. Brauche ich das wirklich? Passt es? Second Hand ist aus ökologischer Sicht das Beste. Und je länger wir etwas tragen, desto besser. Auf kleiderkreisel.at kann man außerdem gebrauchte Kleidung kaufen und verkaufen."

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Greenpeace-Proteste vor einer Zara-Filiale in Nizza.
Foto: dapd / Lionel Cironneau

Second Hand? Ich weiß nicht. Ich kaufe eh schon selten Kleidung, und wenn, möchte ich nicht lange stöbern, sondern es schnell hinter mich bringen. Ich sehe aber schon, gute Firmen zu finden ist kompliziert. Zara verrät mir nicht, wo Fabriken stehen, ist aber beim Detox-Ranking von Greenpeace vorne dabei. H&M ist transparent, sorgt mit seinen häufigen Kollektionswechseln aber dafür, dass Umwelt und Menschen leiden. Hm.

Ist es unter dem Strich eh "ghupft wie ghatscht"? Nein, sagt Konstantin Wacker von der Uni Groningen. "Konzerne, die unter Druck kommen wie H&M oder Nike, können es sich nicht leisten wegzusehen." Wer einen Ruf zu verlieren hat, habe eher im Auge, unter welchen Bedingungen produziert wird. Für Kik gelte das zum Beispiel nicht. "Das ist ein bisschen wie beim Fleisch. Wenn Sie beim Diskonter einkaufen, können Sie sich vorstellen, wie das produziert wurde."

Noch nicht veröffentlichte Studien von Chika Oka von der University of London legen nahe, dass Massen- und große Sportmarken mehr darauf acht geben, wie produziert wird.

Ich weiß jetzt ein wenig mehr, mir wird aber schon ein bisschen schwindelig. Mein letzter Versuch ist ein Anruf bei Elke Schüßler, sie leitet das Institut für Organisation an der Kepler-Uni in Linz und arbeitet seit Jahren an der Frage, ob sich die Bedingungen in der Textilindustrie bessern. Kann sie mir eine klare Antwort geben?

Ich nehme es vorweg: Nein!

Schüßler sagt Ja, Markenfirmen stehen unter höherem Druck und machen mehr, "aber ob das tatsächlich etwas bringt, ist sehr schwierig zu sagen. Luxusmarken machen auf dem Papier mehr als Diskonter. Das sagt aber noch nicht viel darüber aus, was in den Fabriken passiert."

Sind Disktoner wie Kik "schlechter"?
Foto: APA/dpa/UNBEKANNT

"Unternehmen wie Aldi oder Lidl zahlen vielleicht sehr niedrige Stückpreise, aber weil sie beispielsweise ein paar Millionen weiße T-Shirts am Stück bestellen, macht das die Planung einfacher und für Arbeiterinnen berechenbarer. Unternehmen aus dem "Fast fashion"-Segment wie H&M oder Zara hingegen bestellen oft kurzfristig auch kompliziertere Teile in großen Mengen nach, was für die Arbeiterinnen in nicht geplanten langen Arbeitszeiten mündet. Dies sieht man dem Preis oder dem Teil aber nicht an."

"Sind Diskonter schlechter als andere? Das kann man nicht sagen. Ohne die Lieferketten, das Geschäftsmodell und die Einkaufspraktiken der Unternehmen zu kennen, lässt sich sehr wenig darüber sagen, was Maßnahmen am Ende für die Arbeiterinnen heißen."

Der Preis an sich sage nichts darüber aus. Teuer heiße nicht gut. Die Website rank a brand könne behilflich sein. Dort kann man Markennamen eingeben und erhält eine mehr oder weniger aussagekräftige Übersicht. Nike erhält ein C – und jetzt?

Kann ich also unter dem Strich gar nichts machen?

"Doch", sagt Schüßler, "erzeugen Sie Druck. Die Unternehmen sagen, die Kunden wollen einfach den niedrigsten Preis. Sagen Sie ihnen, dass das nicht so ist. Den Druck aufrechtzuerhalten ist der größte Beitrag, den man leisten kann."

"Fragen Sie, wo das produziert wurde! Wo findet man Informationen? Wenn die ein Unternehmen nicht geben kann, dann sagen sie ihm, ich kaufe das nicht."

Das ist auch der Tipp von Nunu Kaller von Greenpeace: "Fragen Sie im Laden nach! Wenn einer das macht, vergisst es die Verkäuferin wieder. Wenn mehrere kommen, leitet sie das irgendwann weiter."

Es ist nicht sehr befriedigend, aber am Ende bleibt mir nur das: nachfragen, nerven, Infos fordern. Per E-Mail, auf Twitter oder Instagram, in Läden. Positiv stimmt mich eine Studie, die nahelegt, dass Proteste im Textilsektor helfen.

Manche Firmen machen mehr als andere, eine Faustregel: Je bekannter sie sind und je mehr sie unter öffentlichem Druck stehen, desto eher tun sie etwas. So oder so liegt es an mir: Ich muss sie wissen lassen, dass mir nicht egal ist, wie sie produzieren.

Vielleicht gibt es aber noch eine andere Möglichkeit. Meine Interviewpartner erzählen mir von "fairer Mode" – die war mir bisher kein Begriff. Fair-Trade-Bananen – ja, aber faire Mode? In der nächsten Folge versuche ich herauszufinden, ob das etwas für mich ist. Kann ich einen Beitrag leisten, indem ich für wirklich "gute" Marken mehr Geld auf den Tisch lege? Mehr dazu am kommenden Sonntag. Wenn Sie sich für den kostenlosen Newsletter oben anmelden, bekommen Sie eine Nachricht, wenn der Text erscheint. (Andreas Sator, 28.11.2018)