Bild nicht mehr verfügbar.

Viktor Orbán wurde gerügt, darf mit der Fidesz-Partei aber vorerst in der EVP bleiben.

Foto: REUTERS/Bernadett Szabo

Europas Christdemokraten wollen mit einer harten Abgrenzung zu Rechtspopulisten und EU-Skeptikern in den EU-Wahlkampf 2019 ziehen. Das geht aus einer Resolution hervor, die beim Wahlkongress der Europäischen Volkspartei (EVP), einem Zusammenschluss von 67 christdemokratischen und konservativen Parteien und Gruppen in Europa, am Mittwoch in Helsinki beschlossen wurde.

"Die Christdemokraten haben an vorderster Front für die Etablierung der liberalen Demokratie gekämpft", heißt es gleich in den ersten Zeilen des Papiers, "basierend auf jüdisch-christlichen Werten, Rechtsstaatlichkeit und Mehrparteiensystem, einer starken Zivilgesellschaft mit unabhängigen Medien." Alle Mitglieder der EVP seien "aufgefordert, diese Werte und Prinzipien zu respektieren, zu schützen und zu fordern". Wie EVP-Präsident Joseph Daul am Rande des Kongresses betonte, gehöre es zum Wesen seiner Parteifamilie, dass Menschenwürde, Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit absolute Gültigkeit hätten, damit sei das gemeinsame Europa nach 1945 aufgebaut worden – mit den Christdemokraten in der ersten Reihe.

Unverhohlene Kritik

Die Resolution "zum Schutz der EU-Werte und Sicherung der Demokratie" sei auch als direkte Anweisung an jene Mitglieder gerichtet, die daran zuletzt Zweifel gesät hätten – voran die ungarische Fidesz von Viktor Orbán, hieß es in der EVP-Spitze. Der ungarische Premierminister und seine Partei sind zwar nicht direkt als Abweichler von den Grundsätzen angeführt; aber der zweiseitige Text streicht auch überdeutlich hervor, was bzw. wer damit gemeint ist: "Wir sind ernsthaft besorgt über die wachsenden Beschränkungen von Verfassungen, der Verfassungssysteme, der Unabhängigkeit der Justiz, beim Kampf gegen die Korruption, bei der Medienfreiheit und der Zivilgesellschaft in einigen Mitgliedstaaten." Das geht direkt gegen Orbán, dem praktisch alle diese Verstöße seit Jahren vorgeworfen werden und gegen dessen Regierung die EU-Kommission mit Klagen beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorging. Seinem Liebäugeln mit der "illiberalen Demokratie" halten die 758 EVP-Delegierten in der Resolution mehrheitlich entgegen: "Populismus und Nationalismus sind nicht mit Fortschritt, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit vereinbar."

Unmittelbare Folgen haben diese Festlegungen für die Fidesz und Orbán freilich nicht, wie EVP-Chef Daul vor Journalisten erklärte. Der ungarische Premier, sagte der Franzose, sei ein "Enfant terrible", ein schreckliches Kind, um das man sich kümmern wolle. Gleichwohl bleibe Orbán "ein Familienmitglied". Die EVP unterstütze aber alle EU-Verfahren, die gegen Ungarn liefen. Innerhalb der EVP gibt es dazu eine starke Debatte, weil einige Parteien bereits nach Konsequenzen rufen.

Weber als Juncker-Nachfolger

So sagte ein finnischer Christdemokrat, mit Orbán habe jetzt "ein Dialog" begonnen. Sollte Orbán keine Einsicht zeigen, müsse es "Entscheidungen" geben. Die Belastung durch Orbán störte die zur Schau gestellte Wahl eines gemeinsamen Spitzenkandidaten für die EU-Wahl im Mai 2019.

Es gab mit EVP-Fraktionschef Manfred Weber und dem finnischen Ex-Premier Alexander Stubb zwei Kandidaten, die sich einer Debatte auf offener Bühne stellten. In geheimer Wahl werden die Delegierten Donnerstagmittag entscheiden, wen sie ins Rennen schicken. Wie berichtet, deutete alles darauf hin, dass Weber mit den Stimmen von etwa zwei Dritteln der Delegierten rechnen konnte. Sollte die EVP die Wahl im Mai gewinnen und wie bisher im EU-Parlament die deutlich stärkste Fraktion bleiben, werde man für Weber den Anspruch stellen, Nachfolger von Kommissionschef Jean-Claude Juncker zu werden, hielt Daul fest – auch wenn Frankreichs Präsident Emmanuel Macron das nicht akzeptieren wolle. (Thomas Mayer aus Helsinki, 7.11.2018)