Fünf Prozent mehr wollen die Metallarbeiter und Industrieangestellten auf ihren Lohn- und Gehaltszetteln sehen. Mit Arbeitsniederlegung will man den Druck erhöhen.

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Das Ambiente der Zusammenkunft ist nobel, das Thema eher erdig, jedenfalls aber stahlhart: Im Hilton Danube am Wiener Handelskai geht die Lohnrunde für die rund 130.000 Beschäftigten der Unternehmen der metalltechnischen Industrie Donnerstagmittag in die alles entscheidende Runde.

Ob in die verfahrenen Verhandlungen langsam Bewegung kommt, berichtet Veronik Fillitz (ORF) von vor Ort.
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Ob der Ort außerhalb der Wirtschaftskammer den Verhandlungserfolg begünstigen wird, bleibt abzuwarten. Fest stand vor Beginn nur, dass die Verhandlungen "sicher sehr lang, wahrscheinlich bis weit nach Mitternacht" dauern werden. "Egal welches Ergebnis herauskommt." Davon gingen beide Verhandlungspartner am Mittwochnachmittag aus. Alles andere wäre unglaubwürdig, setzt ein Gewerkschafter nach.

Dass bereits am darauffolgenden Freitag gestreikt wird und das auch noch unbefristet, davon geht selbst in kampfeslustigen ÖGB- und Betriebsratskreisen betroffener Metallverarbeitungsbetriebe niemand aus.

Stundenweise Warnstreiks

Es ist eine Art Zwischending, das gemäß gewerkschaftlicher Eskalationsmaschinerie angeworfen wird: der Warnstreik. Um Warnstreiks mit der notwendigen betrieblichen Basis durchführen zu können, müssen die in den vergangenen drei Tagen unterbrochenen mehr als 350 Betriebsversammlungen wieder aufgenommen und die Kampfmaßnahmen in Angriff genommen werden. Die Arbeit werde dann stundenweise niedergelegt, erklärt ein ÖGB-Funktionär das Prozedere. Bestreikt würden in einem ersten Schritt jedenfalls nur Metallverarbeitungs- und Maschinenbaubetriebe, weiß ein anderer.

Denn parallel dazu kommt es zu einem Unikum: Die Spitzen von Produktions- und Privatangestelltengewerkschaft verhandeln weiter mit den Arbeitgebern. Mit der Fahrzeugindustrie wurde für Montag, 10 Uhr, eine weitere Verhandlungsrunde anberaumt, Dienstagmittag sind wieder Eisen- und Stahlerzeuger an der Reihe. Abschlüsse in einzelnen Teilbranchen der in Summe 192.000 Metallarbeiter und Industrieangestellte umfassenden Metallindustrie seien nicht ausgeschlossen, heißt es. Dahinter steckt Kalkül: Mit den Teilverhandlungen wird der Druck auf den mit Abstand größten Fachverband der Maschinenbauer und Metallverarbeiter erhöht.

Die pochte am Mittwoch einmal mehr auf ihre Eigenständigkeit: Die Globalrunde genannte Tarifgemeinschaft sei Geschichte, weil Metallbranche nicht gleich Metallbranche sei. Das sehe man auch am Personalaufwand: In der Fahrzeugindustrie liege dieser bei zehn Prozent, in der Metallverarbeitung bei 25. Und: Man nehme die anderen Metallbranchen keineswegs in Geiselhaft mit den langwierigen Verhandlungen, betonte Fachverbandsobmann Christian Knill via Aussendung.

"Schwerpunktstreiks"

Davon rückt offenbar auch die Gewerkschaft nach und nach ab: In einem ersten Schritt sollen beispielsweise nur jene Teilbetriebe der Voestalpine bestreikt werden, die dem Metallverarbeitungs-KV unterliegen. "Schwerpunktstreiks" nennt das Arbeitsrechtsprofessor Martin Risak von der Universität Wien.

Wiewohl Industrie und Wirtschaftskammer stets ins Treffen führen, dass Streiks im österreichischen Recht nicht geregelt sind: Rechtlich zulässig sind sie längst. Das gilt auch für Sympathie- und Solidarstreiks zur Unterstützung anderer Unternehmen oder Branchen, sagt Risak mit Verweis auf die Judikatur des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte: "Es gibt ein Recht auf Streik." Da Österreich keine gesetzliche Regelung für Streik habe, könnten Sympathiestreiks auch nicht eingeschränkt werden.

Entgeltfortzahlung

Bleibt die Frage nach der Entgeltfortzahlung im Streikfall. Gewerkschaftsmitglieder haben Anspruch auf Geld aus dem ominösen Streikfonds des ÖGB, alle anderen Arbeitnehmer nicht – auch nicht jene, die arbeiten wollen, aber nicht können. Typischerweise kommt in Österreich beides nicht zum Einsatz. Bei den größeren Streiks in der jüngeren Geschichte – 2003 gegen Pensions- und ÖBB-Reform – wurde das Problem typisch österreichisch geregelt: In den darauffolgenden Einigungen wurde in Sideletters festgehalten, dass die betroffenen Arbeitnehmer schadlos gehalten werden. Die Unternehmen zahlten Löhne und Gehälter also. Beim Metallerstreik 2011 war dem nicht so, betont der Fachverband Metalltechnische Industrie. Das habe den ÖGB eine Stange Geld gekostet. (Luise Ungerboeck, 8.11.2018)