"Poker Face" von Lady Gaga oder "Beat it" von Michael Jackson? Es kommt auf das Workout an.

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Als der äthiopische Läufer Haile Gebrselassie 1998 den Weltrekord über 2000 Meter aufstellte, plärrte sein Lieblingslied durch die Lautsprecher des Stadions: Er hatte sich den Techno-Song "Scatman" von Scatman John gewünscht. Im Ziel sagte er: "Die Musik gibt mir einen Rhythmus, der zu meinem Rekordtempo passt." Auch bei späteren Weltrekorden hatte Gebrselassie diesen einen Song im Kopf, dem er seine Schrittfrequenz anpasste.

Der musikalische Ansporn funktioniert auch bei Hobbysportlern: Wenn der Lauf kein Ende zu nehmen scheint und die Beine schwer werden, dann ist es oft ein ganz bestimmter Song, der auf einmal in der Playlist auftaucht und uns schneller laufen lässt. Das belegen Studien, die beispielsweise zeigen, dass sich die sportliche Leistung durch Musik um 15 Prozent steigern lässt – und das Workout gleichzeitig mehr Freude macht.

Der britische Sportpsychologe Costas Karageorghis von der Brunel University London beschäftigt sich schon seit Jahrzehnten mit der Thematik. Erst vor kurzem erschien sein neuestes Buch "Applying Music in Exercise and Sport". Er zählt eine ganze Liste an Vorzügen der musikalischen Untermalung des Workouts auf: Musik kann das Ermüdungsgefühl beim Training reduzieren und die Stimmung heben. Sie kann das Erlernen von Bewegungsabfolgen erleichtern. Profiathleten nutzen die Wirkung von Musik auch schon vor dem Sport, um in das richtige Mindset zu kommen. Und Musik nach dem Sport kann wiederum die Regeneration fördern.

"I feel good" und "Simply the best"

Klar ist: Wer wirklich von der Musik profitieren will, sollte sich über seine Playlist eingehend Gedanken machen. Wenn Karageorghis mit Athleten arbeitet, dann verbringt er viel Zeit damit, ihren musikalischen Background zu erkunden. Sogar was die Eltern früher gehört haben, möchte er wissen. "So bekomme ich eine Idee von jener akustischen Landschaft, mit der man psychologisch und körperlich das meiste aus Athleten herausholen kann", so Karageorghis.

Der persönliche Geschmack spielt bei der Auswahl der Musik eine große Rolle, betont auch Karageorghis: "Musik ist ein Stimulus, auf den wir sehr subjektiv reagieren."

Die Komposition des Songs ist ebenso wichtig: "Fröhliche Harmonien funktionieren besser als traurige", so Karageorghis. Auch der Songtext spielt eine große Rolle: "Häufig finden sich in den Songtexten Affirmationen", so der Psychologe. "Zum Beispiel 'I feel good', 'Simply the best', 'You are the one and only', 'Ain't no mountain high enough' und 'Shake your bootie'."

Auch der Rhythmus ist entscheidend. Laut Karageorghis liegt der ideale Bereich für Workout-Musik zwischen 120 und 140 Beats pro Minute. "Poker Face" von Lady Gaga hat beispielsweise 119 Schläge pro Minute und eignet sich gut für eine gemütliche Einheit, "Beat it" von Michael Jackson hat 139 Beats pro Minute und eignet sich für ein intensives Workout.

Hip-Hop für Läufer

Noch mehr Beats pro Minute würden die Performance nicht weiter verbessern, sagt Karageorghis – vielleicht, weil diese Musik für das Gehirn schon sehr herausfordernd zu verarbeiten sei.

Außerdem muss die Musik passend zum Workout ausgewählt werden, so der Experte: "Die beste Musik zum Laufen beispielsweise ist Hip-Hop, weil sich dieser in der Regel zwischen 75 und 95 Schlägen pro Minute bewegt", sagt Karageorghis. Das bedeutet: Pro Beat gehen sich zwei Schritte aus. So lässt sich die Bewegung an die Musik anpassen, so wie Haile Gebrselassie es vorgemacht hat.

Eliteathleten dürfen bei vielen Bewerben allerdings keine Musik hören – auch, um damit unzulässige Kommunikation mit ihrem Trainer zu verhindern. Für Marathonläufer sei das aber kein großes Problem, weil diese ohnehin nach innen fokussierten, um ihre Atem-, Schritt- und Herzfrequenz zu regulieren, sagt Karageorghis: "Dabei kann Musik auch eine ungewollte Ablenkung sein."

Auch Radfahrern rät er dringend davon ab, beim Sport Musik zu hören, um Unfälle zu verhindern. Bei manchen Bewerben sind Kopfhörer überhaupt für alle verboten, um die Sicherheit der Läufer zu gewährleisten. Immer wieder kommt es zu Unfällen, wenn Athleten wichtige Anweisungen aufgrund ihrer zugestöpselten Ohren nicht hören.

"Der Fokus geht durch die Musik nach innen", sagt auch der Wiener Sportpsychologe Andreas Kollar. "Was beim Training ein Vorteil sein kann, weil es von störenden Reizen abschirmt, ist im Wettkampf mitunter nicht ideal."

Gefahr der Verletzung

Auch bei hochintensiven Trainingseinheiten rät Karageorghis von Musik ab: "Musik kann auftretende Schmerzen abmildern, was zu Verletzungen führen kann." Bei zu lauter Musik bestehe bei hochintensiven Einheiten außerdem ein besonders hohes Risiko für einen Tinnitus, weil sich die Durchblutungssituation im Ohr dabei verändert.

Wer beim Wettkampf trotzdem Musik braucht, sollte das auch so trainieren, empfiehlt Kollar. "Die Musik reißt einen bei einem Wettkampf nicht raus", stellt er klar. "Aber unter Umständen kann man sich selbst mit Musik rausreißen." Vielleicht sogar mit Haile Gebrselassies Lieblingslied: "Scatman". (Franziska Zoidl, 11.11.2018)