Kanzler Kurz und Verteidigungsminister gaben Freitagfrüh eine Stellungnahme zu einem Spionagefall beim Bundesheer ab.

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Wien – Zu ungewöhnlicher Zeit, nämlich Freitagmorgen um 6 Uhr, gaben Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Verteidigungsminister Mario Kunasek (FPÖ) bekannt, dass sie um Punkt 8.30 Uhr eine Pressekonferenz abhalten. Dabei ging es um eine Stellungnahme zu einem Spionagefall rund um einen Bundesheer-Bediensteten. Der kurze Auftritt der türkis-blauen Regierungsmitglieder fand im Kanzleramt statt und lieferte nur wenige Details zu dem Fall.

Sebastian Kurz und Mario Kunasek hielten Freitagmorgen eine Pressekonferenz ab – sie dauerte knapp acht Minuten.
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Denn zuvor hatte unter anderen schon die "Krone" auf ihrer Homepage seit der Früh von einem "modernen Oberst Redl" berichtet – "20 Jahre" lang habe ein Offizier für die "Russen spioniert" und "300.000 Euro kassiert".

Spionage inakzeptabel

Unter Berufung auf "Ermittlerkreise" berichtete das Kleinformat, dass sich die Causa um einen 70-jährigen Oberst aus Salzburg drehe, der seine Spitzeltätigkeit für den russischen Geheimdienst bereits in den 90er-Jahren begonnen haben soll – Kurz bestätigte dann wenige Stunden später, dass dessen Tätigkeit bis ins Jahr 2018 angedauert habe. Dazu stellte der ÖVP-Chef klar, dass Spionage "inakzeptabel" sei.

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Sollte sich der Verdacht bestätigen, werde dies das Verhältnis zwischen Russland und der EU nicht verbessern, erklärte Kurz. In einer ersten Reaktion habe Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ) jedenfalls einen Stellvertreter des russischen Botschafters in Wien einbestellt sowie eine Russland-Reise abgesagt. Das weitere Vorgehen werde man mit den EU-Partnern beraten. Konkret ist der russische Geschäftsträger Igor Nikitin für den Freitagvormittag einbestellt, teilte das Außenamt der APA mit.

Der bereits pensionierte Offizier wurde von Kunaseks Generalsekretär bei der Staatsanwaltschaft angezeigt, wie der Verteidigungsminister ausführte. Unter anderem habe sich der russische Geheimdienst für Österreichs Waffensysteme interessiert, so Kunasek. Dazu lobte der Minister die rasche Arbeit des Abwehramts seit Aufkommen des Verdachts.

Äußerst knappe Statements

In seinen Statements hielt sich das Regierungsduo inhaltlich äußerst knapp, laut STANDARD-Informationen haben deutsche Geheimdienstler die Republik auf die Causa aufmerksam gemacht. Bundespräsident Alexander Van der Bellen wurde über den Fall bereits in Kenntnis gesetzt – auch er drängt auf eine "lückenlose" Aufklärung und betonte ebenfalls: "Spionage ist inakzeptabel."

Außenministerin Kneissl wurde am Donnerstagabend von Kunasek informiert. Ihre nunmehr abgesagte Reise nach Moskau war für den 2. und 3. Dezember vorgesehen. Die Umsetzung des "Sotschi-Dialogs" wäre Hauptthema des Treffens gewesen. Die Rede war von einem Forum für zivilgesellschaftlichen Dialog zwischen Österreich und Russland, das beim Wien-Besuch von Präsident Wladimir Putin im Juni angekündigt worden war.

Kneissl befürchtet Belastung der Beziehungen

Kneissl selbst teilte der APA mit: "Sollten sich die jetzt vorliegenden Verdachtsmomente bestätigen, dann würde dies eine schwerwiegende Belastung für die bilateralen Beziehungen zwischen Österreich und Russland darstellen." Österreichs Botschafter Johannes Eigner wiederum ist am Freitag in das Außenministerium in Moskau zitiert worden, meldeten russische Nachrichtenagenturen.

Die Staatsanwaltschaft Salzburg bestätigte inzwischen, dass eine entsprechende Anzeige des Verteidigungsministeriums eingelangt ist, Gegenstand der Darstellung sei "der Vorwurf gegen einen 70-jährigen Salzburger Offizier in Ruhe des österreichischen Bundesheeres, wonach dieser Informationen an einen ausländischen Nachrichtendienst weitergegeben" habe, heißt es in einem Schreiben, und: Die Staatsanwaltschaft prüfe den Bericht auch in Richtung des Verbrechens des Verrats von Staatsgeheimnissen nach Paragraf 252 Absatz 1 des Strafgesetzbuchs.

Russischer Außenminister überrascht

Russlands Außenminister Sergej Lawrow wies den Spionageverdacht am Freitagvormittag zurück: "Wir werden beschuldigt, und es gibt Aufforderungen, dass wir uns für eine Sache entschuldigen, von der wir nichts wissen", zitierte ihn die Nachrichtenagentur Interfax.

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Der Minister gab sich "unangenehm überrascht" über die Vorwürfe aus Wien. Moskau werde Botschafter Eigner erklären, wie Wien sich verhalten sollte, wenn es Fragen an Russland habe, zitierten ihn russische Nachrichtenagenturen. Lawrow beklagte, dass Österreich eine "Megafon-Diplomatie" verwendet habe, statt sich in diesen Fragen direkt an Moskau zu wenden.

Opposition sieht FPÖ als "Sicherheitsrisiko"

Im Zusammenhang mit dem jüngsten Spionageverdacht gegen einen pensionierten Oberst sehen die Liste Pilz und die Grünen die Regierungspartei FPÖ und deren gute Kontakte nach Russland als "Sicherheitsrisiko" an. Peter Pilz, Gründer seiner gleichnamigen Liste, erklärte am Freitag in einer Aussendung: "Eines der größten nachrichtendienstlichen Risiken im Innenministerium und Landesverteidigung ist die mit der russischen Führung verbündete FPÖ selbst."

Er forderte, dass das "Sicherheitsrisiko FPÖ" im BVT-Untersuchungsausschuss ab Jänner untersucht wird. Auch der Grüne EU-Abgeordnete Michel Reimon bezeichnete die blaue Regierungspartei in einer Aussendung als "Sicherheitsrisiko für Österreich" und schrieb: "Die FPÖ, die den Verteidigungsminister stellt, und deren Innenminister das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung unter ihre Kontrolle bringen will, unterhält einen offiziellen Freundschaftsvertrag mit Putins Regierungspartei 'Einiges Russland'. In diesem Vertrag sagen sich beide Seiten gegenseitige Unterstützung zu."

Einen solchen Vertrag halte er für "inakzeptabel". Er verlangte von der ÖVP "Konsequenzen", allerdings ohne konkrete Forderungen aufzustellen. "Einen Knicks der Außenministerin (Karin Kneissl, Anm.) vor (Russlands Präsident Wladimir) Putin kann man noch ignorieren, Spionage nicht mehr."

Neos fordern Aufklärung

Die Neos forderten eine schnelle Aufklärung des Spionageverdachts. "Ich bin gespannt, ob die FPÖ weiterhin an ihrem Freundschaftspakt mit der Putin-Partei festhält. Es ist einigermaßen absurd, dass die FPÖ ein derart inniges Verhältnis mit der Partei jenes Mannes pflegt, der Österreich ausspionieren lässt. Sollte es zu keinem Umdenken vonseiten der FPÖ kommen, erwarte ich mir jedenfalls ein Machtwort von Bundeskanzler (Sebastian) Kurz", forderte Verteidigungssprecher Douglas Hoyos. Er verlangte auch eine stärkere parlamentarische Kontrolle der nachrichtendienstlichen Tätigkeiten.

Experte bezweifelt Skandal

Im Ö1-Mittagsjournal zeigte sich der Geheimdienstexperte Siegfried Beer überrascht, dass die österreichische Regierung aus dem Spionage-Fall so eine große Sache macht. Spionage sei etwas ganz allgemein Gemachtes. Für Beer klingt die Sache aufgebauscht, er habe den Eindruck, Österreichs Politiker würden nicht viel über diese Materie wissen. Wirkliche Konsequenzen erwartet sich der Experte nicht. (Nina Weißensteiner, Fabian Schmid, 9.11.2018)