ORF-1-Senderchefin Lisa Totzauer kündigt neue Programmpläne an.

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Wien – Eine "Programmreform in mehreren Schritten" plant Lisa Totzauer für ORF 1. Nach jüngst gestarteten Formaten wie "Der Kurier des Kaisers" und "Der kleine Staatsbesuch" soll diese nun Fahrt aufnehmen, erklärte die Senderchefin Donnerstagabend vor Journalisten.

"Ohne Trara" werde sich die Reform ereignen, sondern in mehreren Phasen, sagt Totzauer. "Wir denken sehr konkret in einem Zielschema, weil wir den Sender mittel- und langfristig weiterbringen wollen." Der Kanal leidet unter dauerhaftem Markanteilsschwund. Im Oktober kam ORF 1 auf 7,7 Prozent – freilich ohne Nationalratswahl, die im Vorjahr für 8,7 Prozent sorgte. Totzauer leitet den Sender seit Mai.

Zielgruppe nach Lebensrealität

Nicht nur Stiftungsräte wollen auf ORF 1 mehr eigenständiges Programm und weniger Kaufware sehen. Den Antrag auf Schemaänderung bringt Totzauer bei der nächsten Sitzung des Gremiums Ende November ein. Der Kanal würde auch weiterhin eher jüngeres Publikum ansprechen, sagt Totzauer, wobei sie "Zielgruppe" nicht ausschließlich nach Alter definiert wissen will, "weil das nicht der Lebensrealität entspricht", sondern stärker nach sogenannten Sinus-Milieus, die Menschen nach ihrer Grundhaltung und Lebensweise gruppieren. Das Publikum von ORF 1 bezeichnet sie als "weltoffen, kritisch, stark digitalisiert, großes Entertainment- wie anspruchsvolles Info-Interesse". Die Unterscheidung ist für sie wichtige Informationsbasis und Nachweis, dass man sich mit ORF 2 nicht in die Quere käme, "weil wir uns nicht kannibalisieren wollen".

Sie bekennt sich klar zu österreichischen Inhalten – auch auf ORF 1, denn "wir sehen, dass österreichische Produkte in der jüngeren Zielgruppe eine große und eine steigende Relevanz haben: Österreich hat wieder etwas Cooles."

Dementsprechend sollen neue Programmpunkte "klaren Regeln" folgen:

  • Jeder Hauptabend müsse Farbe bekennen, sprich unter einem bestimmten Motto stehen, um "Verlässlichkeit" zu garantieren. Ganz durch ist Totzauer mit der Planung hier noch nicht, fix ist aber, dass etwa der Mittwoch Infotag sein soll mit "Dok eins" und weiteren Reportagen und Dokumentationen, mitunter "weit über den Hauptabend hinaus", wie Totzauer sagt. Der Freitag wäre im derzeitigen Planungsstadium der Unterhaltung gewidmet mit "Kabarettgipfel", "Stadtkomödien" und "Was gibt es Neues?".
  • Die größten Veränderungen betreffen den Vorabend, er gilt unter Fernsehmachern als gefürchtete Zone – im ORF kostengünstiger Abspielplatz für US-Sitcoms. Schritt für Schritt: Schon Anfang 2019 startet um 18.10 Uhr ein tägliches 35-minütiges Vorabendmagazin mit tagesaktueller Information und Hintergrund. Welchen Titel das Magazin tragen wird, entscheide sich nächste Woche. Das "ZiB-Magazin" verschwindet. In der Endphase sollen Eigenproduktionen bis 20 Uhr in den Hauptabend überleiten.
  • Bis Herbst 2019 will sie auch den Samstagvorabend neu bespielen,
  • Die Comedy "Wischen ist Macht", geplanter Start 2020, soll zu je 20 Minuten im Hauptabend stattfinden.
  • Ab 7. Jänner montags Robert Palfrader als Wetterfrosch in "Walking On Sunshine".
  • Im Februar 2019 David Schalkos Krimiserie "M – Eine Stadt sucht einen Mörder".
  • Ab Herbst 2019 neue Folgen der "Vorstadtweiber" mit Mirjam Unger und Harald Sicheritz als Regisseuren.
  • Für "Dancing Stars" kündigt sie "massivere Adaptionen" an. Die nächste Staffel startet am 15. März.
  • Eine Show mit freiwilligen Feuerwehrleuten, die sich spielerischem Kräftemessen hingeben, sei ebenfalls in Entwicklung, sagt Totzauer.
  • Den "Popcorn-Sonntag" mit Blockbustern werde es weiterhin geben. "ORF 1 ist internationales Kino. Wir wissen aber auch, der Markt ist nicht voll davon, und ich sehe nicht, dass wir jeden Sonntag einen Marvel-Film spielen."
  • Unverwechselbarkeit braucht auch Personen, die diese symbolisieren. Entsprechend intensiv würden derzeit Moderatorinnen und Moderatoren gescreent und getestet, "weil wir mehr davon brauchen", sagt Totzauer.

Und wer soll das bezahlen? Eine schlanke Kostenstruktur will Totzauer dadurch sicherstellen, dass eigenproduzierte Sendungen für exakt jenen Sendeplatz und Kanal beauftragt werden. Zielgenauere Planbarkeit erlaube straffere Kalkulation. Fertige Produktionen spielt sie zügig ab, Abspielbudgets braucht sie auf, was ihr ebenfalls mehr Planungsfreiheit ermöglicht.

Gekippt oder auf ORF 2 verfrachtet würden Sendungen, die nicht mehr in dieses Konzept passen. Vom Tisch ist jedenfalls die tägliche einstündige Infoshow, die noch zentraler Bestandteil der Bewerbung von Alexander Wrabetz für seine Wiederwahl 2016 war. (Doris Priesching, 9.11.2018)