Ein aktuelles Forschungsprojekt, das von der Darpa (Defense Advanced Research Projects Agency) – einer dem US-Verteidigungsministerium unterstellten Behörde – finanziert wird, wirft zahlreiche Fragen auf. Seit 2016 wird mit einem Budget von rund 27 Millionen US-Dollar am Einsatz genetisch veränderter Viren zur Veränderung des Erbguts von Nutzpflanzen auf Agrarflächen geforscht. So weit, so gewöhnlich – genmanipulierte Getreide- oder Gemüsesorten sind weder in den USA noch in Europa oder sonst irgendwo eine Seltenheit.

Auch beteuern die US-Forscher, dass es sich beim Projekt "Insect Allies" (deutsch etwa: "verbündete Insekten") lediglich um Forschungen zum Wohle der Agrarindustrie handeln soll, könnten damit doch potenziell Nutzpflanzen vor Dürre, Frost, Überschwemmung, Pestiziden oder Krankheiten geschützt werden. Und das vor allem auch kurzfristig, bevor sich eine etwaige Dürre anbahnt. "Insect Allies"versuche die Auswirkungen auf die Umwelt zu minimieren, indem es reife Pflanzen "innerhalb einer Wachstumssaison" schützt, heißt es auf der Webseite von Darpa.

Missbrauch möglich

Mindestens drei Besonderheiten des Forschungsprojekts haben nun jedoch Wissenschafter der Max-Planck-Gesellschaft auf den Plan gerufen, die vermuten, dass die Forschungsergebnisse sehr leicht zur biologischen Kriegsführung missbraucht werden könnten.

Einerseits sollen seitens der US-Forscher keinerlei Sicherheitsvorkehrungen getroffen worden sein, damit die recht kurzfristige Genmanipulation von bereits blühenden Pflanzen nicht – willentlich oder zufällig – so manipuliert wird, dass auch zukünftige Saatgutgenerationen davon betroffen sind. Die US-Forscher entgegnen in der "Washington Post", sie hätten sehr wohl die nötigen Sicherheitsmaßnahmen getroffen, um beispielsweise eine Verbreitung der Insekten zu vermeiden.

Des Weiteren weisen die Wissenschafter im Fachmagazin "Science" darauf hin, dass der Einsatz virusinfizierter Insekten als Überträger durchaus skurril erscheint, gibt es heute doch zahlreiche Mittel und Wege, Viren auf andere Art und Weise, etwa per Flugzeug oder Sprühbalken, zu verbreiten. Die US-Forscher jedoch wollen die Viren mithilfe von Grashüpfern, Blattläusen und – zu den Pflanzenläusen gehörenden – Weißen Fliegen beispielsweise auf Mais und Tomaten übertragen. Bis dato haben die Forscher ihre Arbeit laut eigenen Angaben nur in Gewächshäusern getestet, wie es das vierjährige Finanzierungsprogramm vorsieht.

Um ein herkömmliches Insekt von einem virusinfizierten Insekt zu unterscheiden, müsste es im Labor untersucht werden.
Foto: Derek Caetano-Anolles

Zum anderen warnen die fünf Forscher davor, dass das angestrebte Endziel des Darpa-Programms – eine gesteigerte Widerstandsfähigkeit bestimmten Pflanzer gegenüber unerwarteten Umweltphänomenen – weit schwieriger zu erreichen sei als beispielsweise die Zerstörung der Pflanze durch die Infizierung mit dem Virus. Die Gene "funktionsuntüchtig zu machen" sei "in der Regel leichter als ihre Optimierung", so Guy Reeves, einer der Studienautoren. Da es dafür nicht einmal einer Weiterentwicklung, sondern lediglich einer Vereinfachung des Prozesses bedürfe, wecke es den Verdacht, "dass es nicht friedliche Zwecke, wie von der B-Waffenkonvention gefordert, zum Ziel hat".

Verbot biologischer Waffen

Die B-Waffenkonvention – oder auch "Konvention über das Verbot der Entwicklung, Herstellung und Lagerung bakteriologischer (biologischer) Waffen und Toxinwaffen sowie über die Vernichtung solcher Waffen", wie sie mit vollem Namen heißt – ist ein am 16. Dezember 1971 von der Uno-Vollversammlung verabschiedeter völkerrechtlicher Vertrag, der die Herstellung und Verbreitung von biologischen Waffen verhindern soll. Um einen etwaigen Bruch dieser Konvention, der die USA ebenso wie 181 andere Staaten angehören, festzustellen, müsste festgestellt werden, dass ein biologisches Forschungsprogramm nicht nur friedlichen Zwecken dient. Ein solcher Beweis scheint schwierig.

Hier das Forschungsprojekt im schematischen Prozess.

Neben einem Verbot der Entwicklung, der Produktion und des Erwerbs von Agenzien und Toxinen, "die nicht durch Vorbeugungs-, Schutz- oder sonstige friedliche Zwecke gerechtfertigt sind", verbietet die Konvention auch die Entwicklung oder Herstellung von "Waffen, Ausrüstungen oder Einsatzmitteln, die für die Verwendung solcher Agenzien oder Toxine für feindselige Zwecke oder in einem bewaffneten Konflikt bestimmt sind". Die Studienautoren argumentieren, dass die virenübertragenden Insekten durchaus als solch verbotene Einsatzmittel im Sinne des Übereinkommens gesehen werden können.

Die beschriebenen Genmanipulationen können nur auf künstlichem Wege erzeugt werden.
Newsy

Es spießt sich also hauptsächlich an einer glaubwürdigen und plausiblen Rechtfertigung, die belegt, dass friedliche Zwecke der Forschungsarbeit des US-Verteidigungsministeriums zugrunde liegen, wie dies etwa bei früheren Forschungen der Fall war. Diese blieben die US-Forscher bislang schuldig. Vor allem müssten die US-Forscher endlich aufzeigen, wie ihr deklariertes Ziel erfüllt werden kann, ohne dabei quasi als Nebenprodukt biologische Kampfstoffe zu produzieren. Die Folgen könnten nämlich fatal sein. Für feindselige Staaten, aber auch Terrororganisationen sei es nicht allzu schwer die entsprechende Technik zu kopieren, glauben die Experten. Ein ehemaliger Pentagon-Mitarbeiter sagt der "Washington Post", man wolle den Terroristen für den Fall, dass sie solche biologischen Waffen entwickeln, in jedem Fall voraus sein.

USA warnte vor Biowaffen

Blake Bextine, Programmmanagerin bei "Insect Allies", zeigte sich gegenüber der "Washington Post" jedoch unbesorgt. "Neue und revolutionäre Technologien haben stets das Potenzial, für gute oder böse Zwecke eingesetzt zu werden", so Bextine. Im Falle von "Insect Allies" gehe es jedoch nur um das staatliche Sicherheitsziel, Ernährungssicherheit zu schaffen. Weder die Öffentlichkeit noch die internationale Gemeinschaft müsse sich sorgen. Inwieweit die Forscher ihr Vorhaben tatsächlich in die Realität umsetzen können, ist fraglich. James Stack, ein mit "Insect Allies" assoziierter Forscher, sieht die Alarmsignale als überzogen an. Schließlich sei das Projekt noch weit davon entfernt, tatsächlich eingesetzt zu werden. Man müsse die Risiken nur richtig managen, schließlich würde man in Zukunft alle Werkzeuge in der Trickkiste benötigen, um der erhöhten Wasser- und Ernährungsnachfrage nachzukommen.

Im Labor sollen die Genmanipulationen an Mais bereits getestet worden sein. Ein Virus, der fluoreszierende Gene in den Mais bringen sollte, ließ die Maiskolben angeblich "leuchten". Andere Viren wurden früher bereits an Mäusen getestet.
Foto: APA/AFP/STEPHANE DE SAKUTIN

Die USA warnten ihrerseits jedoch erst im August davor, dass "die ehemaligen biologischen Waffenprogramme bestimmter Staaten womöglich weiterhin bestehen" und dass womöglich neue Formen von Waffen entwickelt werden würden. Die USA seien demnach besonders über etwaige Attacken auf Ackerernten und Viehzucht besorgt.

Die Forscher des Max-Planck-Instituts hoffen mit ihrem Artikel eine überfällige breite gesellschaftliche Debatte über die Auswirkungen und Folgen dieser Forschung in den USA zu entfachen – gebe es derzeit doch kaum Diskussionen darüber, nicht einmal in akademischen Fachkreisen. (Fabian Sommavilla, 5.1.2019)