Mit dem aktuellen Design trifft Mercedes einen Nerv der Kundschaft, die Autos gefallen fast durchwegs. Und wie C- und S-Klasse- setzt auch das E-Klasse-Cabrio auf klassisches Textilverdeck.

Foto: Andreas Stockinger
Grafik: der Standard

Großes Doppeldisplay, tadelloses Bedienkonzept, stilvolle Inneneinrichtung.

Foto: Andreas Stockinger

Das Heck mit dem versteckten Verdeck.

Foto: Andreas Stockinger

Es gibt Menschen, die plausibel argumentieren, warum für sie Cabriofahren nur im Frühjahr infrage kommt. Andere plädieren ebenso nachvollziehbar für die gesamte warme Jahreszeit. Puristen fahren selbst im Winter offen. Wir zählen uns zur zweiten Fraktion, verlängern die Saison aber gern schaltechnisch, weshalb wir das Angebot, die offene E-Klasse im November noch spazieren zu fahren, mit Freuden angenommen haben – einmal Frischluft geht noch, geht sogar gut.

Luftschal

Der laue Herbst ist heuer natürlich hilfreich, diese Farben!, diese Luft!, und weil Mercedes Mercedes ist, ergänzen die jenen Schal, den wir uns um den Nacken wanden, mit einem, der selbigen in Form eines lauen, in drei Stufen dosierbaren Lüfterls (unterhalb der Kopfstütze austretend) umschmeichelt. Nennt sich Luftschal, die englische Bezeichnung ersparen wir Ihnen, ist bei Mercedes weitverbreitet und erfreut sich nicht nur bei in die Jahre kommender Kundschaft enormer Beliebtheit. Erinnert allerdings an den Buchtitel des israelischen Militärhistorikers Martin van Creveld – Wir Weicheier.

Wird die Luft im Schatten noch frischer, fahren wir zusätzlich das Windschott hinten auf Maximalhöhe raus. Dann ist es im Cabrio fast windstill, und man bleibt trotzdem an der frischen Luft. Naturnäher kann man in einem Automobil kaum sein.

Da diese ein kostbares Gut ist, die Natur nämlich, achten wir auf unsere abgasseitige Hinterlassenschaft. In dem Punkt wird dem E 300 Cabriolet, mit dem wir unterwegs sind, maximale derzeit erforderliche Unbedenklichkeit zugesprochen, die Maschine ist EU-6d-temp-zertifiziert. Das ist verbrennungsmotorisch die eine gute Nachricht. Die andere wäre, dass der Zweiliter-Vierzylinder aus der jüngsten Mercedes-Motorengeneration ein angenehm spritziger, temperamentvoller Zeitgenosse ist, mit 245 PS und 370 Nm Drehmoment, und eh klar, die Neun-Gang-Wandlerautomatik passt vorzüglich dazu.

Soll und Haben

Das wäre die Habenseite. Auf der Sollseite haben wir notiert: gar zu dünnes Klangbild. Und mit knapp zehn Litern Durchschnittsverbrauch auf 100 km bei vorzüglich cruisendem Test-Profil ist das auch kein Spritsparwunder; so was kann der vielgescholtene Diesel (den es für das E-Klasse-Cabriolet freilich auch gibt: mit 194 und 258 PS) deutlich besser.

Dann wäre da die Sache mit den Schwanenflügeln. Wie auf solchen daherschwebend fühlt man sich einerseits dank des formidablen adaptiven Fahrwerks Dynamic Select; andererseits lässt sich die Burmester-Anlage mit Wagners Lohengrin und dem Schwan bespielen; und dritterseits ist das, Schwanenflügel, der Begriff für ein Mercedes-Designelement, bei dem der Schwung vom Armaturenträger elegant in die Seitentüren weitergezogen wird. Stilistisch ein Genuss, wie überhaupt das ganze Auto, innen wie außen.

Was natürlich auch praktisch ist, wenn man zum Beispiel während der Fahrt das Textildach öffnen will: Das geht bis Tempo 50, also durchgehend innerorts, wird gern auch genutzt zum "Einidrahn". In 20 Sekunden ist der Zauber erledigt, und es bleibt, anders als bei den bis vor kurzem noch so beliebten Festdachcabrios und -roadstern, sogar noch ein vernünftiger Kofferraum. 385 Liter sind es bei geschlossenem Verdeck, bei offenem bleiben 310.

Und damit das abschließend noch mal entsprechend gewürdigt ist – bei der Marke mit dem Stern gibt es folgendes Offen-Angebot: C-, E- und S-Klasse-Cabriolet. Die Roadster SLC und SL. Und schließlich das Überdrüberding GT C Roadster von AMG. Mehr Frischluft gibt's bei keinem Konkurrenten weit und breit. (Andreas Stockinger, 15.11.2018)