Bei den Jugendzentren wird in Käfigen gekickt, denn hier finden die Jugendlichen genügend Fußballspieler für ein Match.

Foto: Heribert Corn

Wien – Mitten in einem Park im 10. Bezirk mit bunten Graffiti an den Außenmauern befindet sich der Jugendtreff Arthaberbad, ein umgebautes ehemaliges Kinderfreibad. Hier treffen sich Jugendliche zum Fußballspielen, Tanzen, Billardspielen, Teetrinken und Plaudern. Dabei können sie andere Jugendliche kennenlernen, mit denen sie sonst nie Kontakt hätten.

Das Arthaberbad ist einer der über 17 Bezirke verteilten 38 Standorte des Vereins Wiener Jugendzentren, des größten Anbieters von Kinder- und Jugendarbeit in der Hauptstadt. Der Verein selbst ist aus dem Teenie-Alter aber schon lange heraus: Er feiert dieses Jahr sein 40-jähriges Jubiläum – und lud dazu kürzlich ins Jugendtreff Arthaberbad.

Die Themen der Jugendlichen hätten sich in den letzten 40 Jahren gar nicht so stark verändert, sagt Christiane Jaklitsch-Van Oudheusden, die den Jugendtreff leitet. Die Grundthemen seien gleich geblieben, unter anderem Geschlecht und Identität. Verändert hätten sich aber die Rahmenbedingungen: Die Jugendlichen seien mobiler, Social Media spiele zudem eine große Rolle. Früher seien Jugendliche weniger Einflüssen von außen ausgesetzt gewesen.

Ziel: Positives Selbstbild ohne Abwertung anderer

In der Jugendarbeit gibt es in Wien laut Jugendstadtrat Jürgen Czernohorszky (SPÖ) ein flächendeckendes Angebot mit zwei Millionen Kontakten pro Jahr, was es in einer solchen Dimension in keiner anderen Großstadt gebe. Die Jugendarbeit solle eine Jugend ermöglichen, die nicht nur als Stadium angesehen wird. Sie solle die Jugendlichen in der Entwicklung eines positiven Selbstbilds unterstützen, das ohne die Abwertung anderer auskomme, sagt Czernohorszky. Jugendarbeit stärke das Vertrauen in Beziehungen.

Rund 640.000 der Kontakte liefen über den Verein Wiener Jugendzentren, das sind pro Tag 75 Kontakte pro Jugendzentrum. Jährlich erhält der Verein 14,5 Millionen Euro Basissubvention von der Stadt, insgesamt sind 23 geförderte Vereine in der Jugendarbeit tätig. Nächstes Jahr soll laut Czernohorszky ein besonderer Schwerpunkt auf der Jugendarbeit liegen, mit mehr als 500 Workshops mit Kindern und Jugendlichen unter anderem an Schulen und Kindergärten. Dabei soll es um die Frage gehen, was sich in Wien ändern soll, die Buben und Mädchen sollen selbst ihre Wünsche dazu äußern.

"Konservative Normen gehören ins Museum"

Aktuell liegt der Schwerpunkt auf gendersensibler Jugendarbeit. Es gebe eine Fülle an Möglichkeiten von Geschlechterpositionen, sagt Jugendzentren-Geschäftsführerin Ilkim Erdost. Gleichzeitig beobachtet sie aber einen Trend zu konservativen Rollenbildern. Der Themenschwerpunkt ist auch an den Wänden des Jugendtreffs Arthaberbad zu erkennen – dort hängt zwischen Plakaten mit Erklärungen zu den verschiedenen Geschlechtern eines in Regenbogenfarbe mit der Aufschrift "Wir sind gegen Homophobie". Auf einer Tafel steht mit Kreide geschrieben: "Liebe kennt kein Geschlecht."

Die Auseinandersetzung mit Geschlechtergerechtigkeit müsse bereits "in den Kinderschuhen" angestoßen werden, sagt Gemeinderätin Marina Hanke (SPÖ). Schon bei den jungen Menschen solle der Ansatz sein, sie in der Selbstfindungsphase zu unterstützen. Denn formal hätten die Geschlechter gleiche Rechte, in der Realität gebe es aber immer noch Unterschiede und ungleiche Chancen. Mädchen seien oft stiller, Burschen nähmen mehr Raum ein. Junge Frauen sollen durch die Unterstützung in den Zentren lernen, selbstbewusster aufzutreten, und Männer die eigenen Rollen überdenken – auch ob sie diese überhaupt wollen.

Beim Mädchentreff haben Burschen Hausverbot

Mädchen sind in den Jugendzentren in der Unterzahl: 65 Prozent der dortigen Jugendlichen sind männlich. Diese nähmen Räume schneller für sich in Anspruch. Bei den Jüngeren ist das Geschlechterverhältnis hingegen ausgewogen.

Um mit den gendersensiblen Projekte mehr Mädchen erreichen, gibt es eigene Mädchentreffs, bei denen die Burschen Hausverbot haben. In einer eigenen Mädchenredaktion können sie zudem die TV-Sendung "CU Television" gestalten. Die Buben treffen sich hingegen zum Plaudern bei einer Tasse Tee. Damit sich auch verschiedene Jugendgruppen in den Jugendzentren austauschen können, die beim täglichen offenen Betrieb keine Zeit dort verbringen, gibt es auch sechs Einrichtungen der mobilen Jugendarbeit und bestimmte Veranstaltungen und Projekte.

Kritische Freundschaft

Begleitet werden die Kinder und jungen Erwachsenen von Jugendarbeitern, die die Rolle als Ansprechpartner und Moderatoren übernehmen. Sie wollen die Persönlichkeit stärken und die soziale Umgebung in den Prozess hineinholen.

Die Jugendarbeiter und Jugendlichen hätten zwar ein freundschaftliches Verhältnis zueinander, sagt Erdost – das sei aber eine kritische Freundschaft. Die Jugendarbeiter greifen etwa bestimmte Aussagen beispielsweise zur Homosexualität mancher Jugendlicher auf, um die Jugendlichen so zum Nachdenken anzuregen. Irritation sei eine erfolgreiche Methode, sagt Erdost. Im Jugendtreff Arthaberbad hängt dazu etwa ein Plakat zweier küssender Männer.

Man müsse den Jugendlichen vermitteln, dass sie als Menschen okay sind, dass nur bestimmtes Verhalten nicht in Ordnung ist, sagt Jaklitsch-Van Oudheusden. Dann komme auch etwas zurück – weshalb es sie besonders freut, wenn ehemalige Jugendzentren-Besucher mit ihren eigenen Kindern wider auftauchen. (Laura Schwärzler, 12.11.2018)