Hanna Herbst, "Feministin sagt man nicht". € 20 / 136 Seiten. Brandstätter-Verlag, 2018

Cover: Brandstätter

Es gibt eine Generation junger Frauen, denen es reicht. Die die Nase voll haben, sich nichts mehr bieten lassen. Das liegt zu einem großen Teil an der kontinuierlichen Vorarbeit ihrer Mütter, Großmütter und Urgroßmütter – und daran, dass sie trotz der oft hochgehaltenen frauenpolitischen Errungenschaften spätestens in ihrer Pubertät hautnah erleben, wie sie von Fremden auf der Straße, später im Job und im Internet behandelt werden.

Wobei: Dass sie sich gar nichts mehr bieten lassen, stimmt nicht ganz. Die Journalistin Hanna Herbst erzählt in ihrem Buch "Feministin sagt man nicht" von Situationen, in denen ihr das Wohl ihres sexistischen Gegenübers wichtiger war als ihr eigenes. Wie sie lächelte, nichts sagte und sich später selbst dafür hasste, lieber so reagiert zu haben, als in eine unangenehme Situation zu geraten.

Wie unangenehm es werden kann, wissen Frauen, die nicht den Mund halten. Vor allem in sozialen Medien, wo sich die aktuellen Dimensionen des Frauenhasses zeigen. Gesellschaft, Struktur, System, Patriarchat. Die großen Brocken nimmt Herbst in der ersten Buchhälfte im Stile der britischen Autorin und "angry young woman" Laurie Penny in Angriff.

Strategien finden

Deren Texte lesen sich wie eine Achterbahnfahrt vom Hundertsten ins Tausendste und zurück, weil eben jede Sekunde Selbstoptimierung und der dafür nötige Selbsthass von Frauen und Nichtheteros von den Mechanismen des Spätkapitalismus nicht zu trennen sind. Auch Herbst will den Blick für diese Zusammenhänge schärfen und lässt dafür viel zu selten zitierte feministische Denkerinnen wie Christina Thürmer-Rohr, Lisbeth N. Trallori oder Frigga Haug zu Wort kommen. Damit kommt die alte feministische Perspektive zu ihrem Recht, Frauen auch als aktive Stütze ihrer eigenen Unterdrückung in den Blick zu nehmen, um so widerständige Strategien zu finden. Daran zu erinnern, dass Feministinnen schon seit Jahrzehnten darüber reden, ist heute wichtig, wenn immer wieder medienwirksam behauptet wird, Feminismus arbeite sich nur am Opferstatus von Frauen ab.

Doch trotz dieses Feminismus-Bashings ist der Buchtitel nicht ganz auf der Höhe der Zeit, in der etliche Stars ihre Kulturgüter auch mit dem eben entdeckten Feministinnen-Status feilbieten. Der Grusel vor dem Wort selbst ist nicht das Problem, sondern mehr denn je eine restriktive Politik, die sich zwischen Empowerment-Bekundungen gut durchschwindeln kann.

Das Cover mit Herbst im Großformat erinnert leider etwas an die missglückte Kampagne "This Is What A Feminist Looks Like", ein Slogan, den Promis und andere auf T-Shirts zur Schau trugen, wohl um zu zeigen, dass Feministinnen eh nicht schiach sind.

Eine ernüchternde Analyse gelingt Herbst vor allem in den Kapiteln über das "Schlachtfeld Körper", Mainstream-Pornografie und durch eingeflochtene persönliche Erlebnisse. Sie zeigen, warum wir manchmal beim Patriarchat mitmachen und wie uns Frauen- und Männerrollen in den Knochen sitzen und sich in Entscheidungen niederschlagen, die sich gegen uns selbst richten. (Beate Hausbichler, 12.11.2018)