Wien – Weil er sich für die Terrormiliz "Islamischer Staat" betätigt hatte, indem er sich einschlägiges Propagandamaterial verschaffte, ist der sogenannte Sittenwächter von Kaltenleutgeben am Freitag vom Wiener Landesgericht rechtskräftig verurteilt worden. Über den 24-Jährigen wurden wegen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung dreieinhalb Jahre Haft verhängt.

Der aus Dagestan stammende Mann hatte bereits im März vom Landesgericht wegen Nötigung fünf Monate unbedingt ausgefasst, nachdem er im Sommer 2017 an einem Badesee in Kaltenleutgeben im Bezirk Mödling eine spärlich bekleidete Frau aufgefordert hatte, ihre Brüste zu bedecken. Ansonsten werde er sie vergewaltigen. Im Zuge der kriminalpolizeilichen Erhebungen zu diesem Vorfall wurde das Handy des Mannes ausgewertet. Dabei stießen die Ermittler auf 95 Dateien mit IS-Propagandamaterial und 57 islamisch-religiöse Naschids, die von Islamisten als Propaganda- und Kampflieder genutzt werden, um für den bewaffneten Jihad zu werben.

Der Mann hatte Lieder abgespeichert, auf denen das Abschlachten von "Kuffar" (Ungläubigen) verherrlicht wird und Selbstmordanschläge im Kampf für Allah propagiert werden. In zahlreichen Textnachrichten an Gleichgesinnte äußerte er sich obendrein verächtlich über Ungläubige und hielt mit Personen Kontakt, die diese "noch niedriger als Vieh" einstuften.

Mit Attentäter Amri in Kontakt

Dazu zählte auch Anis Amri, der am 19. Dezember 2016 einen Sattelschlepper in eine Besuchermenge an der Berliner Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche lenkte. Elf Besucher des Weihnachtsmarkts und der Lkw-Fahrer, den der Terrorist zuvor getötet hatte, um ans Steuer zu gelangen, starben. Der Angeklagte sei mit Amri gut befreundet gewesen und habe mit diesem in Deutschland dieselbe Moschee besucht, sagte die Staatsanwältin am Freitag. Sie verwies auch auf Fotos, auf denen beide Männer abgebildet sind.

Der Angeklagte, der mit 15 zusammen mit seiner Mutter Dagestan verlassen hatte, hatte zunächst in Deutschland um Asyl angesucht. Als er dort 2015 einen negativen Bescheid erhielt, heiratete er eine Österreicherin, die er über das Internet kennengelernt hatte, und übersiedelte nach Niederösterreich, wo er neuerlich um Asyl ansuchte. Auch dieser Antrag wurde mittlerweile abgelehnt.

Angeklagter bestritt Freundschaft mit Amri

Mit Amri habe ihn keine Freundschaft verbunden, hielt der Mann der Staatsanwältin entgegen. Er sei zwar Muslim, aber niemals "streng islamisch" gewesen: "Ich hab' immer geraucht. Ich hab' Cannabis geraucht." Interesse am IS habe er seinerzeit gehabt, "aber das hat jeder Zweite andere auch". Als radikal sei er nicht anzusehen: "Ich habe angefangen zu beten und jede zweite Moschee besucht."

Verteidiger Wolfgang Blaschitz bemühte sich, den Angeklagten kleinzureden. Dieser habe "eine große Klappe", habe "bei jedem Blödsinn" mitgemacht. Einem – nicht ausgeforschten – IS-Kämpfer in Syrien habe er über einen Messengerdienst Zuspruch erteilt: "Er hat mit einem Gotteskrieger getippselt." Es sei auch zutreffend, "dass er Naschids gesungen und dabei gegluckst und gelacht hat".

Freigesprochen wurde der 24-Jährige vom Vorwurf der Terrorismusfinanzierung. Dabei war es um 1.000 Euro gegangen, die über einen Mittelsmann dem Gesprächspartner in Syrien zugeflossen sein sollen. Das war am Ende nicht nachweisbar. (red, APA, 9.11.2018)