Nicht hinter den Spiegeln, sondern darauf lässt der Österreicher Constantin Luser seine Räume wachsen. Eine zusätzliche Glasplatte sorgt für irritierende Effekte und Doppelungen.

Foto: Manuel Carreon Lopez, kunst-dokumentation.com

Es gibt Ausstellungen, die kann man recht gut mittels Fotos bannen. Sprich: Aufgrund der Bilder ist gut vorstellbar, was vor Ort zu sehen ist. Bei Constantin Luser ist das – etwa wegen seiner filigran-linearen Drahtobjekte – oft schwierig. Auch in seiner Schau in der Wiener Galerie Crone können Fotos schwer die Kunst vermitteln.

Einfallswinkel gleich Ausfallswinkel heißt die Ausstellung, was in Lusers Fall bedeutet, dass man auf den Aufnahmen keinesfalls alles sieht. Verantwortlich dafür ist dieses Mal aber seine Malerei auf Spiegeln. Luser hat sie auf einer Höhe von etwa zwei Metern aufgehängt. Gerade so hoch also, dass die Betrachter sich nicht darin spiegeln, aber die feinen Veränderungen des Umraums, etwa der Lichtverhältnisse, wahrnehmen können.

Constantin Luser, 1976 in Graz geboren, kommt ursprünglich von der Zeichnung. Er hat bei Renée Green und bei Brigitte Kowanz an der Wiener Akademie der bildenden Künste studiert und seine "Aufzeichnungen" schon früh in den Raum transferiert: Auf Wänden entwickelt er komplexe Ideengeflechte, in die er Porträts oder Gedanken genauso wie narrative Szenen oder architektonische Skizzen einwebt.

Konsequenterweise ging Luser danach immer weiter hinein in das Dreidimensionale. Seine "Raumzeichnungen" hängen etwa in Form von Drahtgebilden von der Decke, wobei sich je nach Betrachterstandpunkt stets neue Perspektiven eröffnen: Glaubt man gerade noch einen Kleiderbügel zu sehen, reicht – wie im Fall eines Messingobjekts in der Galerie Crone – ein Windhauch, um darin plötzlich die Umrisse einer Trompete zu erkennen.

Letztere ist Teil einer Leidenschaft, die bereits Ausgangspunkt einer Personale von Constantin Luser im Kunsthaus Graz (2016) war: Denn Instrumente, sagt Luser, seien überhaupt die schönsten Skulpturen. Neben Zeichnungen und Objekten hat er fünf spielbare Klangskulpturen entwickelt: darunter ein Rotationsquintett auf einem Karusselluntersatz und ein zehn Meter langer Vibrosaurier aus Blechblasinstrumenten.

In der aktuellen Präsentation wirkt diese Vorliebe nach: Auch dort glaubt man eben noch eine Trompete oder ein Zupfinstrument zu erkennen, bevor sich die Linien – eine kleine Drehung später – wieder zu einem unentwirrbaren Knäuel verdichten. Clear Mind (P8) (dt. "Klarer Verstand") heißt besagtes Objekt, das Verstand und Wahrnehmung herausfordert, weil es laufend zwischen Gegenständlichkeit und Abstraktion changiert.

Verlorene Welten

Ein ähnlicher Effekt stellt sich in der Ausstellung auch beim Betrachten der Gemälde ein: Auf den Spiegeln hat Luser architektonische Strukturen mit comicartigen Szenen und malerischen Elemente vereint: Die Bilder erinnern an verlorene Welten und machen mit Titeln wie Tiefes Wasser, Titanik oder Der Magier und die Taube weite Assoziationsräume auf.

Beachtenswert sind aber auch die minimalen Verschiebungen, mit denen Luser die sehenswerten optischen Effekte erzielt: die paar Zentimeter, die die Sockel seiner Skulpturen über dem Boden schweben, oder auch der Einsatz von transparenten UV-Glasplatten. Letztere hat der Künstler auf die schon bemalten Spiegel geklebt. Das Ergebnis sind Doppelungen und Irritationen, die man sonst eher im 3D-Kino erlebt. (Christa Benzer, 10.11.2018)