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"Ehrlich gesagt hat mich die Information unangenehm überrascht", sagte Sergej Lawrow über das Bekanntwerden der Spionageaffäre.

Foto: AP Photo/Pavel Golovkin

Russlands Außenminister Sergej Lawrow zeigte sich am Freitag reichlich verärgert über das Bekanntwerden der Spionageaffäre. "Ehrlich gesagt hat mich die Information unangenehm überrascht", sagte der russische Chefdiplomat. Der Westen habe sich die Unart der "Lautsprecherdiplomatie" angewöhnt, bemängelte der 68-Jährige. "Seit Jahrhunderten war es üblich, dass ein Land, das Sorgen oder Verdächtigungen gegenüber den Handlungen eines anderen Staats hat oder den Verdacht hegt, dass dieser an Prozessen beteiligt ist, die die staatliche Sicherheit bedrohen, direkt um Erklärungen bittet – in Übereinstimmung mit den Regeln der internationalen Verständigung", gab Lawrow Wien Nachhilfe in Diplomatie. Über den Fall selbst sei der russischen Regierung nichts bekannt.

Das russische Außenministerium hat, um seinen Standpunkt klarzumachen – spiegelgleich zum österreichischen Außenamt -, am Freitag Botschafter Johannes Aigner einbestellt. Die Aussprache, in der Moskau Wien zu verstehen geben wollte, "welcher Methoden man sich bedient, wenn man Fragen an Russland hat", dauerte eine halbe Stunde.

Sorge um Achse mit Wien

Die gereizte Reaktion Moskaus auf die Agentenaffäre in Wien erklärt sich aus der Vielzahl von Spionageskandalen in der jüngsten Vergangenheit: Heuer haben so bereits Polen, die Niederlande, die Schweiz und Griechenland Vorwürfe dieser Art gegen Moskau erhoben. Der Kreml bewertete die Anschuldigungen wie auch die Vorwürfe einer Beteiligung an der Vergiftung des übergelaufenen Agenten Sergej Skripal in Großbritannien als Kampagne. Die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, diagnostizierte "Russophobie und Spionomanie" innerhalb der westlichen Eliten.

Trotzdem wird der aktuelle Fall in Moskau als besonders fatal bewertet. Der Kreml weiß, dass in Wien eine der russlandfreundlichsten Regierungen der EU sitzt. Nachdem bereits Griechenland vergrätzt wurde, sind die Aussichten auf eine Abmilderung der EU-Sanktionen gegen Russland durch die Affäre massiv gesunken.

Während konservative Zeitungen in Moskau hinter dem Skandal einen anderen ausländischen Geheimdienst wittern, der die Achse Moskau-Wien brechen wolle, regt sich in einigen Medien auch der Unmut gegen den Armeegeheimdienst GRU – hat dieser doch inzwischen eine ganze Reihe von Fehlschlägen zu verantworten, die das Image Russlands im Ausland nachhaltig beeinträchtigt haben. Damit gerät auch Verteidigungsminister Sergej Schoigu unter Druck. (André Ballin aus Moskau, 9.11.2018)