Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ) hat am Samstag ihren russischen Amtskollegen Sergej Lawrow angerufen, um über die am Freitag bekannt gewordenen Spionagevorwürfe mit Russland-Bezügen zu sprechen, teilte Moskau mit.

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Wien/Moskau – Der russische Außenminister Sergej Lawrow sieht sein Land wegen neuer Spionage-Ermittlungen in Österreich zu Unrecht öffentlich an den Pranger gestellt. Das bekräftigte er am Samstag nach einem Telefonat mit seiner Amtskollegin Karin Kneissl (FPÖ). Nach Angaben des Außenministeriums in Moskau sprach Lawrow von "nicht bewiesenen Anschuldigungen", die öffentlich vorgebracht worden seien.

Das entspreche nicht den diplomatischen Gepflogenheiten. Die Regierung in Wien hätte nach Ansicht von Lawrow die bekannten Gesprächskanäle nutzen sollen. Kneissl und Lawrow hätten im Telefonat den aktuellen Zustand der russisch-österreichischen Beziehungen besprochen, der durch Behauptungen der österreichischen Regierung entstanden sei, dass ein ehemaliger Bundesheermitarbeiter für Russland spioniert habe, informierte das Außenministerium in Moskau.

Offene Kanäle gefragt

"K. Kneissl erklärte die Motive hinter den diesbezüglichen Entscheidungen in Wien und brachte die Hoffnung zum Ausdruck, dass sich die unternommenen Schritte sich nicht auf die weitere Entwicklung der bilateralen Zusammenarbeit auswirke", hieß es in der Erklärung. Die russische Seite habe seinerzeit betont, dass die Praxis einer öffentlichen Erhebung unbewiesener Anschuldigungen den Normen der internationalen Kommunikation widerspreche und inakzeptabel sei.

Beliebige wechselseitige Bedenken seien faktenbasiert und über vorhandene Kanäle des Dialogs zu übermitteln, erinnerte einmal mehr das russische Außenministerium und erwähnte abschließend, dass auch weitere bilaterale Themen besprochen worden seien.

Am Freitag hatten Österreichs Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Verteidigungsminister Mario Kunasek (FPÖ) mitgeteilt, dass ein mittlerweile pensionierter Oberst des österreichischen Bundesheeres während seiner aktiven Zeit im Heer rund 20 Jahre für Russland spioniert haben soll. "Spionage ist inakzeptabel und russische Spionage in Europa ist auch inakzeptabel", sagte Kurz. Der Hinweis auf den Mann sei von einem ausländischen Dienst gekommen.

Lawrow hatte sich bereits nach Bekanntwerden "unangenehm überrascht" gegeben. Am Samstag sagte er, Österreich hätte mit Russland direkt auf der Basis von Fakten diskutieren sollen. Kneissl wird in der Mitteilung zitiert, sie hoffe, die Ermittlungen beeinträchtigten nicht die Beziehungen beider Länder. Bisher pflegen Österreich und Russland durchaus enge, teils sogar freundschaftliche Beziehungen.

Kneissl widersprach Lawrow

Außenministerin Kneissl hat in dem Telefongespräch mit ihrem russischen Amtskollegen Lawrow den Vorwurf der "Megafon-Diplomatie" zurückgewiesen. Lawrow hatte diesen Ausdruck vor dem Hintergrund des Spionageverdachts aus Österreich verwendet. "Die Vorgehensweise der österreichischen Bundesregierung beruht auf klaren Fakten", sagte Kneissl laut einer der APA übermittelten Stellungnahme.

"Es handelt sich hier um strafrechtlich relevante Vorgänge, die eine Einschaltung der Strafverfolgungsbehörden und die umgehende Information der Öffentlichkeit unumgänglich machten", betonte die Ministerin demnach am Samstag gegenüber Lawrow. "Wir erwarten uns bei der Aufklärung des Falles die volle Zusammenarbeit der russischen Seite", machte die Ministerin deutlich.

Vilimsky fordert Erklärung

FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky forderte gegenüber "Österreich" (Sonntagsausgabe) eine "Erklärung Moskaus" im Fall des mutmaßlichen Spions. Gefragt, ob der Fall den Kooperationsvertrag zwischen der FPÖ und der Putin-Partei "Einiges Russland" infrage stellen könnte, antwortete Vilimsky, dass man auf die "gänzliche Klärung" der Vorwürfe warte. Erst dann werde man "beraten, was zu tun ist."

Bundespräsident Alexander Van der Bellen hofft auf eine "lückenlose" Aufklärung des Falles rund um den Bundesheer-Offizier, der über zwanzig Jahre lange für Russland spioniert haben soll. "Spionage ist inakzeptabel", sagte auch der Bundespräsident gegenüber mehreren Tageszeitungen.

Verdächtiger festgenommen

Der Ex-Bundesheer-Offizier, der im Verdacht steht, über zwanzig Jahre lange für Russland spioniert zu haben, ist festgenommen worden. Eine Entscheidung über die Verhängung der Untersuchunhaft ist noch ausständig. Das gab der Sprecher der zuständigen Staatsanwaltschaft Salzburg, Robert Holzleitner, auf APA-Anfrage bekannt.

Der Beschuldigte ist demnach in der Nacht auf Samstag in Oberösterreich festgenommen worden und befindet sich nun in Verwahrungshaft. Er werde ausführlich einvernommen. Anschließend werde eventuell Untersuchungshaft beantragt, hieß es von der Staatsanwaltschaft. Begründet werden könnte der Antrag mit Tatbegehungsgefahr und allenfalls auch Fluchtgefahr.

Laut Angaben der "Kleinen Zeitung" (online), die sich ebenfalls auf den Sprecher der Staatsanwaltschaft beruft, soll am Montag, spätestens Dienstag über die U-Haft entschieden werden. Der mutmaßliche Spion könnte nach dem Militärstrafgesetz angeklagt werden, bis zu zehn Jahre Haft drohen.

Die "Kleine Zeitung" förderte auch weitere Details über den Fall zutage. Demnach soll der Oberst 28 Jahre lang für Russland spioniert haben. Seit 1990 arbeitete er laut Angaben der Zeitung im Wiener Verteidigungsministerium, zunächst in der "relativ unbedeutenden" Abteilung für die Vorschriftenerstellung, in den letzten fünf Jahren vor seiner Pensionierung aber in der Abteilung für die Strukturplanung. Außerdem soll er vor dieser Zeit als UNO-Soldat am Golan und in Zypern stationiert gewesen sein.

Nato-Seminare besucht

Via "Salzburger Nachrichten" wiederum wurde am Samstag unter Berufung auf ehemalige Berufskollegen bekannt, dass der mutmaßliche Spion auch Nato-Seminare und -Kurse besucht hat und Informationen daraus an Russland weitergegeben haben soll. Der "grundsätzlich geständige" Verdächtige soll ganz generell "weiche Informationen" geliefert haben: "Dazu gehört, wer hat welche Schwächen, welche Vorlieben bei Trinken und Essen sowie Stimmungsbilder innerhalb der Abteilungen beim Heer." Außerdem soll der gebürtige Salzburger Kontaktdaten aus dem Intranet des Heeres weitergegeben haben.

Zuvor hatte die "Krone" online unter anderem berichtet, dass der Offizier auch Details über Luftwaffe und Artilleriesysteme sowie "konkrete Lageberichte über die Migrationssituation" geliefert haben soll. (APA, 10.11.2018)