Protestiert wird von den Omas mit den auch von den Trump-Gegnern verwendeten bunten Pussyhats, denn: "Das Gute bei unserem Design ist: Selbst wenn nur eine Oma wo hingeht, fällt sie auf."

Foto: APA / Herbert Pfarrhofer

Wien – Sie sind sichtbar: Auf jeder Demo stechen die älteren Damen mit ihren grellen rosa Hauben hervor, die den "Pussyhats" nachempfunden sind, einem Protestzeichen gegen die Trump-Regierung. Die "Omas gegen rechts" haben sich in Österreich formiert, mit einem Aufruf auf Facebook, und gingen im Dezember 2017 – als die neue Bundesregierung angelobt wurde – mit tausenden Studenten auf die Straße. Seitdem haben sie an dutzenden Demos teilgenommen, sind ein wichtiger Bestandteil der Donnerstagsdemos.

Sie sind weithin bekannt: Die Medien haben von Beginn an über die Omas gegen rechts berichtet, mittlerweile gibt es sieben Landesgruppen in Österreich und Ableger in Berlin, Chemnitz, Kandel, Köln, München. Am Wochenende fand in Kassel ein Vernetzungstreffen statt.

Aktiv und resolut

Sie sind resolut. Susanne Scholl, eine der Gründerinnen: "Wir werden nicht müde, laut unsere Meinung zu sagen. Wir haben nichts zu verlieren und müssen uns nicht fürchten." Mit Rollator, Rollstuhl und Gehstock, aber auch mit großen Schildern, OMA-Buttons und dem Lied "Omas, Omas, uns braucht das ganze Land" ist eine gesellschaftliche Gruppe mit politischen Forderungen in die Öffentlichkeit getreten, von der vorher viele meinten, "uns hört niemand mehr zu, wir können nur mehr Babysitten", beschreibt Scholl.

Mit der demografischen Entwicklung, die Menschen werden älter, bleiben länger gesund, hat der Zukunftsforscher Matthias Horx auch das Aufkommen von "grauen Panthern", also politisch aktiven Grauhaarigen vorausgesagt. Und regsam sind sie, die Omas gegen rechts. Manchen sogar zu sehr. So wird etwa Monika Salzer, die zweite Gründerin, oft von ihrer Tochter gebeten, sich nicht so vehement für die Politik einzusetzen, sie solle sich doch bitte auch genug Zeit für die Enkel nehmen.

"Wir wären ja gerne die ganze Zeit für unsere Enkel da", entgegnet Salzer darauf, "doch die Sache ist zu wichtig." Und: "Wir haben auch die Zeit, uns politisch zu engagieren. Unsere Töchter sind von Beruf und Kindern oft völlig beschlagnahmt. Wir demonstrieren auch für die, die nicht mit auf die Straße können." Vor allem betonen die Aktivistinnen, dass sie nicht für höhere Pensionen demonstrierten, sondern für die gesamte Gesellschaft. Besonders aber für die Jugend.

Bedrohliche Entwicklungen

Salzer, Psychotherapeutin und einer der Dancing Stars von 2013, hat gemeinsam mit der Journalistin Susanne Scholl die Omas gegen rechts gegründet, weil sie einen neuen Faschismus fürchten. "Früher hätten wir das nie wieder für möglich gehalten", sagt Scholl. "Doch heute müssen bedrohliche Entwicklungen wie Antisemitismus, Rassismus und Frauenfeindlichkeit klar benannt werden."

Auf dem Spiel stünde die Erhaltung der parlamentarischen Demokratie in einem gemeinsamen Europa, soziale Standards und der Respekt vor den Mitmenschen unabhängig von deren Religion oder ethnischer Zugehörigkeit.

Abgleiten in die gelenkte Demokratie

Nach einem Jahr resümierten Salzer und Scholl am Montagvormittag im Café Landtmann, dass alles noch schlimmer gekommen sei als befürchtet. "Die Politik der beiden Regierungsparteien unterscheidet sich überhaupt nicht voneinander", klagt Salzer. "Der Kanzler schweigt zu vielen Themen, wo er doch moderieren und gegenseitiges Verständnis schaffen sollte." Die Regierung spalte, spiele Arme gegen Reiche, Ausländer gegen Inländer und Menschen mit Behinderung gegen Gesunde aus.

"Flüchtlinge werden zu Sündenböcken gemacht", sagt Scholl, die sich selbst um traumatisierte junge Flüchtlinge kümmert. Der Verdacht der Omas gegen rechts: Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP), ein junger Mann, wolle selbst ein starker Mann werden. Die Sorge: Dass die Bevölkerung das gutheiße. Denn: Die Hoffnung auf den starken Mann sei die faschistische Hoffnung schlechthin. Und mit einem starken Mann an der Spitze sei das Abgleiten in eine gelenkte Demokratie und schließlich Diktatur wieder möglich.

Oft sind die Omas gegen rechts auch als Gegendemonstranten im Einsatz, etwa bei Demonstrationen, deren Teilnehmer von sich sagen, sie fürchten den "Einfluss der islamischen Masseneinwanderung auf die Gesellschaft". Scholl sagt dazu: "Die Masseneinwanderung gibt es nicht, zu uns kommen Flüchtlinge. Diese würden als Sündenböcke benutzt, um "antisoziale Maßnahmen" umzusetzen, wie etwa die Einführung des Zwölfstundentages, zum "Schaden der Mehrheitsbevölkerung".

Tatsächlich sei die Wortprägung von der "islamischen Masseneinwanderung" ein faschistischer Begriff, behauptet Scholl und fährt fort: "Der Sozialabbau richtet sich angeblich gegen Flüchtlinge, die jedoch davon wenig betroffen sind. Ich weiß nicht, warum von der Mehrheitsbevölkerung nicht erkannt wird, dass dieser Schuss gegen sie losgeht, gegen den kleinen Mann."

Der Vorwurf, dass die Flüchtlinge Judenhass mit nach Europa bringen würden, sei "zum Lachen". Denn diese würden selber von antijudaischen Regimen flüchten, die sie hier "bestimmt nicht wollen". Außerdem müsse man den Judenhass nicht von woanders nach Europa bringen.

Bei der Vienna Art Week

"Widerstand im Paradies" heißt das Programm, dass die Omas gegen rechts zur Vienna Art Week 2018 vorbereitet haben. Eine Woche lang, von 19. bis zum 25. November, wollen sie das Museumsquartier bespielen, mit "Katzenmusik" gegen die Regierung angeigen, Diskussionen abhalten zu Kunst und Widerstand mit dem Kabarettisten Florian Scheuba sowie mit Jenna Simanowitz und Margaret Carter zu "Who is afraid of a Jewish Mother?".

Besonders wichtig ist dem VereinOmas gegen rechts das Oma-Café, das während der Vienna Art Week montags, mittwochs und freitags stattfindet. Dort können sie mit der Jugend in Kontakt kommen. Auf den Demos sehen sich oft Gleichgesinnte, beim Oma-Café können sie eine breitere Öffentlichkeit erreichen. "Als Brücke zwischen der Generation unserer Großeltern und unseren Enkelkindern überblicken wir fünf Generationen", sagt Monika Salzer. "Wir können der Jugend einiges erzählen." (Aaron Brüstle, 12.11.2018)