Ibrahim Olgun ist bei vielen in der Glaubensgemeinschaft in Ungnade gefallen. Sie werfen ihm vor, die von Türkis-Blau angeordneten Moscheenschließungen veranlasst zu haben.

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Wien – In der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGÖ) sollen bald neue Zeiten anbrechen – das wurde Präsident Ibrahim Olgun am vergangenen Samstag quasi verordnet. Die beiden Vizepräsidenten hatten in der Sitzung des Schurarats einen Antrag auf Neuwahlen eingebracht: 78 Mitglieder stimmten dafür, nur 14 dagegen. Das überrascht vor allem deshalb, weil Olgun dem stark vertretenen Verein Atib angehört – selbst sein eigenes Lager steht offenbar nicht mehr geschlossen hinter ihm. In anderen Fraktionen war er längst umstritten.

Doch nicht freiwillig

Im Sommer hatte Olgun Neuwahlen noch abwenden können. Damals soll jedoch abgemacht worden sein, dass er sich bis Ende des Jahres freiwillig zurückzieht. Davon wollte Olgun im Spätherbst nichts mehr wissen, erzählt ein hochrangiges Mitglied der Glaubensgemeinschaft. Also wurde Initiative ergriffen – am 8. Dezember wird die gesamte Führungsriege neu gewählt.

Angeblich gibt es bereits Absprachen, dass Ümit Vural das Amt des Präsidenten übernehmen soll. Er arbeitet als Jurist in Wien und ist wie Olgun türkischer Abstammung, gehört aber der zur Milli-Görüs-Bewegung zählenden Islamischen Föderation an. Am Montag war er für den STANDARD nicht erreichbar. Olgun hat am Wochenende bereits angekündigt, nicht mehr kandidieren zu wollen.

Moscheenschließungen

Der aktuelle Präsident ist bei vielen in der Glaubensgemeinschaft in Ungnade gefallen, weil ihm vorgeworfen wird, er habe die von der Bundesregierung angeordneten Schließungen von Moscheen initiiert, da ihm die betroffene Arabische Kultusgemeinde ein Dorn im Auge war. Er hatte formale Fehler dieser Kultusgemeinde – das geht aus einem Bescheid hervor, der dem STANDARD vorliegt – beim Kultusamt gemeldet.

Er selbst bestreitet eine Zusammenarbeit mit ÖVP und FPÖ. Die Moscheenschließungen seien nie in seinem Sinne gewesen. Inzwischen sind jedenfalls alle Gebetshäuser wieder offen.

Chance für neue Leute

Sollte Vural Präsident werden, wird zumindest ein Vizepräsident aller Voraussicht nach aus dem Atib-Lager kommen, das als verlängerter Arm der AK-Partei des türkischen Präsidenten Tayyip Erdogan gilt. Darüber hinaus ist auch die bosnische Community in der muslimischen Gemeinschaft stark vertreten.

Für gar kein Amt mehr steht IGGÖ-Vizepräsident Abdi Tasdögen zur Verfügung, wie er im Gespräch mit dem STANDARD bestätigt: "Ich appelliere auch an alle anderen, neuen Leuten eine Chance zu geben", sagt er. Ohne personelle Veränderungen sei keine Reform möglich, ist er überzeugt – und eine größere Reform mit Änderungen in den Statuten wurde bereits im Sommer angestoßen. Derzeit befinde sich die Glaubensgemeinschaft in einem "Reformprozess", der aber noch mehrere Jahre dauern könne.

Macht und Fehler

"Wir brauchen eine starke, gute Führung", sagt Tasdögen, der demselben Lager wie Vural angehört. "Es müssen sich alle Muslime in der Glaubensgemeinschaft wiederfinden können und Spielchen mit heimlichen Kultusgemeinden ein Ende haben", erklärt der Vizepräsident der Glaubensgemeinschaft. Hintergrund ist, dass einzelne Lager mehrere Kultusgemeinden anmelden können und dadurch Stimmrecht gewinnen – so sind Machtkämpfe entstanden. Tasdögen macht dafür auch die Führung verantwortlich: "Olgun hat Fehler gemacht." (Katharina Mittelstaedt, 12.11.2018)