Moskau/Wien – Der vielgelesene russische Politikblog "Nesygar" hat am Dienstagnachmittag von geheimen österreichisch-russischen Konsultationen in den letzten drei Tagen geschrieben, die zu einer Bereinigung der Situation rund um mutmaßliche russische Spionage im Bundesheer geführt hätten. In Österreich selbst gab es dafür bis Dienstagabend keine Bestätigung.

"Es gab die Einigung, bilaterale Maßnahmen zur unverzüglichen Lösung der Situation zu setzen und in der Öffentlichkeit einen freundschaftlichen Zugang sowie Dialogbereitschaft zu demonstrieren", schrieben die anonymen Autoren des Blogs, der über den Messaging-Dienst Telegram verbreitet wird und dessen Erfolg der allgemeinen politischen Intransparenz in Russland geschuldet ist.

Zudem habe man sich entschieden, der internationalen Gemeinschaft ein diplomatisches Szenario zur Lösung zwischenstaatlicher Konflikte im Spionagebereich vorzuführen, erklärte "Nesygar" und machte gleichzeitig den Sekretär des russischen Sicherheitsrats, Nikolaj Patruschew, den Chef der russischen Präsidentschaftskanzlei Anton Wajno sowie Russlands Senatspräsidentin Walentina Matwijenko für diesen Erfolg verantwortlich.

Kein Kommentar aus Kanzleramt

Ob "Nesygars" Behauptungen stimmen, bleibt indes unklar. Im Bundeskanzleramt und in der Hofburg wollte man auf APA-Nachfrage keinen Kommentar zu derartigen Spekulationen abgeben, ein Sprecher des Verteidigungsministeriums erklärte, dass ihm darüber nichts bekannt sei. "Für das Außenministerium kann ich derartige Konsultationen seit dem Telefonat zwischen Außenministerin Karin Kneissl und Außenminister Sergej Lawrow ausschließen", betonte gegenüber der APA ein Sprecher des Außenamts in Wien.

Seit diesem Telefonat vom Samstag, das die Beteiligten anschließend unterschiedlich dargestellt hatten, waren freilich sowohl in Moskau als auch in Wien Signale der Entspannung zu beobachten. Staatsnahe russische Fernsehsender, die für inhaltliche Zurufe aus dem Kreml empfänglich wären, berichteten am Sonntag vergleichsweise freundlich über Österreich und sahen eine US-dominierte Politik des Westens im Hintergrund des Spionagefalls. Aber auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen forderte am Montag in der "ZiB 2" des ORF dazu auf, die Causa nicht zu dramatisieren. "Das wird unser Verhältnis zur russischen Regierung nicht auf Dauer ernsthaft trüben", sagte das Staatsoberhaupt.

Lettische Bedenken

Zwischenzeitlich sind in Lettland Bedenken aufgetaucht, der in Österreich verhaftete, unter Spionageverdacht stehende Bundesheeroffizier könnte auch für die nationale Sicherheit des baltischen Staates relevante Informationen nach Moskau weitergegeben haben. Das Verteidigungsministerium in Riga versucht allerdings, derartige Sorgen im Zusammenhang mit einem Panzerdeal zu zerstreuen.

In den vergangenen Tagen wurde in lettischen Medien spekuliert, ob jener Offizier, dessen Fall vergangene Woche an die Öffentlichkeit gebracht wurde, auch geheime Informationen über die im Herbst abgeschlossene Lieferung von 47 gebrauchten Panzerhaubitzen aus Österreich an die Russen übermittelt haben könnte. Aus dem Verteidigungsministerium in Riga hieß es, niemand im Ministerium oder in der lettischen Armee sei jemals mit dem betreffenden Offizier in Kontakt gestanden.

Keine sicherheitsrelevanten Infos

Die lettische Nachrichtenagentur LETA zitierte Ministeriumssprecher Kaspars Galkins außerdem mit den Worten: "Wir weisen auch Bedenken zurück, dass dabei Informationen über die lettische Nationalarmee in die Hände der Russen gelangt sein könnten." Das Geschäft mit Österreich habe keinerlei sicherheitsrelevante Informationen über die lettischen Streitkräfte umfasst.

Lettland und Österreich hatten im Frühjahr 2017 einen Vertrag über die Lieferung von 47 Stück selbstfahrender Panzerhaubitzen des Typs M109A5Oe abgeschlossen, die von Österreich nicht mehr gebraucht wurden. Der Vertrag wurde vom damaligen Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) und seinem lettischen Amtskollegen Raimonds Bergmanis am Rande eines EU-Ratstreffens auf Malta unterzeichnet.

Erst vor rund einem Monat vermeldete die lettische Armee den Abschluss der Lieferungen. Das Geschäft beinhaltet auch die Einschulung lettischen Militärpersonals durch österreichische Bundesheer-Angehörige.

Was ist geschehen?

Ein 70-jähriger Salzburger Ex-Offizier steht im Verdacht, von 1992 bis Ende September 2018 für Russland spioniert zu haben. Seine Festnahme erfolgte am vergangenen Samstag. Konkret richtet sich der Verdacht gegen ihn wegen des Vergehens des geheimen Nachrichtendienstes zum Nachteil Österreichs (§ 256 StGB), des Verbrechens des Verrats von Staatsgeheimnissen (§ 252 Abs 1 StGB) sowie der vorsätzlichen Preisgabe eines militärischen Geheimnisses (§ 26 Abs 2 Militärstrafgesetz).

Das Oberlandesgericht Linz soll am Donnerstag über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Salzburg gegen die Enthaftung des Ex-Offiziers entscheiden. (APA, 14.11.2018)