London entspricht bis jetzt nicht den Erwartungen.

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London – Nach dem schwachen Auftritt in seinem zweiten Spiel bei den ATP-Finals in London steht Dominic Thiem vor dem Aus. Der 25-Jährige müsste am Donnerstag (15 Uhr MEZ) eine Leistungsexplosion gegen Kei Nishikori zeigen und diesen glatt in zwei Sätzen besiegen. Und er bräuchte am Abend einen ebenso klaren Erfolg von Kevin Anderson über Roger Federer.

Ein erstes Masters-Halbfinale im dritten Anlauf ist für Thiem also höchst unwahrscheinlich. Auch wenn es bei diesem Turnier schon einige höchst ungewöhnliche Resultate gegeben hat, Thiem bräuchte gegen Wien-Finalist Nishikori einen großartigen Start und müsste das ohne Hänger durchziehen.

Rätselraten

Bei Thiem herrschte nach seiner auch von ihm selbst als katastrophal eingestuften Leistung gegen Federer am Dienstagabend Rätselraten. "Ich kann es mir selbst nicht erklären, warum das passiert ist. Warum solche Fehler passieren, die einem Spieler wie uns, die hier sind, einfach nicht passieren dürfen", haderte Thiem mit seiner Leistung.

Thiem, der gegen Nishikori eine 1:3-Bilanz hat, wollte am Mittwoch im Training mit Paris-Champion und London-Ersatzmann Karen Chatschanow aus Russland sein Tennis wiederfinden. Auf zu intensive Rechnereien wollte er sich gar nicht einlassen.

"Ich muss ein gescheites Match spielen, sonst habe ich sowieso keine Chance da, auch nicht gegen Nishikori. Wenn ich eine gute Leistung abrufe und vielleicht gewinne, dann werde ich schauen, wie das andere Match ausgeht", erklärte Thiem und ergänzte: "Aber ich bin nicht auf das aus." Wer Thiem kennt, der weiß, dass dieser lieber aus eigener Kraft die Semifinal-Qualifikation geschafft hätte. Doch mit zwei Niederlagen in der Tasche müsse man die Gedanken ans Weiterkommen beiseiteschieben, meinte Thiem. "Ich muss schauen, dass ich wieder eine gescheite Vorstellung abliefere am Donnerstag."

Hoffnung

Stunden zuvor hatte Nishikori nach nur einem Game gegen Anderson genauso ratlos geklungen. Thiem hatte das Match gesehen. "Der hat auch nicht viel besser gespielt als ich oder vielleicht noch einen Tick schlechter", sagte Thiem. Er schöpfte zumindest für das wahrscheinlich letzte Saisonmatch Hoffnung: "Die vergangenen Tage war es nicht schlecht, es war das erste Match auch alles andere als schlecht, es war nur heute katastrophal."

Thiem war in seinem Medientermin fast das Spiegelbild von Nishikori, der allerdings mit dem überraschenden Auftaktsieg über Federer bessere Karten in der Hand hat. Nach dem 0:6, 1:6 gegen Kevin Anderson sagte der Japaner: "Ich weiß nicht, warum ich nicht gut gespielt habe, ich habe den Ball einfach nicht gefühlt. Das war heute nicht mein Tag." Ähnlich wie Thiem meinte auch der 28-Jährige, dass "irgendetwas nicht gestimmt" habe.

Angesprochen auf den glatten 6:3, 6:1-Erfolg über Thiem in Wien wollte Nishikori der Statistik nicht viel beimessen. "Der Belag ist anders, dieser hier ist viel schneller. Er ist natürlich ein guter Spieler und hat dieses Jahr wirklich gut gespielt. Also wird es sicher ein hartes Match. Ich muss mein Level sicher steigern."

Konto und Punkte

Auch wenn Thiem nicht mehr aufsteigen sollte, ein Sieg wäre dennoch wichtig: Erstens bringt er 200 ATP-Punkte, die er als Bonus gegenüber allen nicht Masters-Teilnehmern 2019 hätte, zweitens könnte er sein diesjähriges Preisgeldkonto um weitere 203.000 Dollar (rund 180.000 Euro) aufstocken.

Um seinen Halbfinaleinzug zittern muss auch noch Roger Federer. Der Superstar, der zum 16. Mal beim Masters dabei ist, hat sein Head-to-Head mit Thiem nun auf 2:2 ausgeglichen. Will er seinen Rekord auf sieben Masters-Titel ausbessern, dann würde dem Schweizer unter gewissen Umständen ein Thiem-Sieg helfen. Wenn Federer Anderson schlägt und Thiem gewinnt, dann sind der Schweizer und der Südafrikaner weiter. So einfach die Tennis-Arithmetik normalerweise ist (Sieger kommt weiter, Verlierer scheidet aus), so kompliziert ist sie am Jahresende.

Das sprach auch Federer nach seinem Sieg Bezug nehmend auf seine Auftaktniederlage an: "Vielleicht hat mich das Round-Robin-Format erwischt. Man fühlt das Messer am Hals nicht so wie bei jedem anderen Turnier. Hier weiß man, dass man drei Matches spielen wird."

Er hat wohl einen ähnlichen Ansatz wie auch Thiem. "Ich könnte gewinnen, und es trotzdem nicht schaffen. Es liegt nicht mehr (allein) in meiner Hand. Wenn ich es nicht schaffe, dann habe ich es nicht verdient", sagte der Schweizer. (APA, 14.11.2018)