"Wenn neue Nazis in neuen Gewändern Regierungsämter bekleiden, lässt man die Uniformen der Spielnazis auch gleich besser im Keller hängen."

Foto: EA

Der Zweite Weltkrieg ist mit EAs Herbst-Blockbuster Battlefield 5 zurück im Rampenlicht der Videospiele. Noch bombastischer, noch zerstörerischer, noch geiler. Mit modernster Technik lassen sich die realen Schlachtfelder der Historie auseinander nehmen. Mit dem Gewehr im Anschlag, als Panzerfahrer oder als Kampfpilot kämpft man im Schein des Effektfeuerwerks adrenalingeschwängert gegen Feinde, gegen Widersacher, also gegen Gegner – eh ja gegen wen eigentlich?

Nazis.

Scheußliches Wort. Passt so gar nicht zu Popcorn-Entertainment, Multiplayer-Fun und Massenmarktkonformität. Deshalb gibt es in der Hochglanzproduktion Battlefield 5 keine Hakenkreuze, keinen Holocaust, keine Verbrechen an der Zivilbevölkerung. Der Kampf gegen Faschismus ... Entschuldigen Sie, ich höre schon auf. Ich kann mich schon selbst nicht mehr reden hören. Mein originalgetreu nachmodelliertes Maschinengewehr rattert so geil durchs Bild.

"Battlefield 5" im Videotest
DER STANDARD

Weltkrieg als Marketingtrick

Das Problem ist nicht per se, dass man Millionen Menschen unpolitisch Krieg spielen lässt. Jeder hat sein Hobby, und wenn man Spaß daran hat, Computergegner umzuballern oder mit Freunden und Fremden in virtuelle Schlachten zu ziehen, dann tut man damit niemandem weh. Das Problem ist, dass es bei Videospielen die Norm ist, unpolitisch zu sein. Und, dass gleichzeitig eifrig daran gearbeitet wird, alles rund um die eigentliche Vorlage immer realistischer erscheinen zu lassen.

Damit wird ein Scheinrealismus erzeugt, der die realen Konflikte und Kriege dahinter mit jeder neuen Hochglanzproduktion immer weicher spült. Während die digitalen Frontlinien zunehmend schwerer von den historischen Schauplätzen zu unterscheiden sind, werden die Schrecken der Geschichte zu einem leicht verdaulichen Brei verdünnt. Der Zweite Weltkrieg als Schießbude. Gewaltunterhaltung aus der Konserve mit fahlem, künstlerisch feigem Beigeschmack.

Anstatt die dutzenden Millionen Dollar Entwicklungsbudget zu nutzen, um Spielern einen authentischen Einblick zu gewähren, wird der Weltkrieg zum reinen Marketingtrick, der darüber hinwegtäuschen soll, dass man eigentlich ein x-beliebiges Setting für die Ballerorgie hätte nehmen können und mit den vollen Hosen eines aktienkursgetriebenen Milliardenkonzerns lieber niemandem auf die Füße treten will.

Ballern ohne Rückgrat

Denn so gut der Zweite Weltkrieg als Computerspielvorlage zieht, so unbequem ist es wohl gerade als Kriegsspielhersteller im heutigen politischen Geschehen ein Werk zu produzieren, dass darin erinnert, dass vor gar nicht so vielen Jahrzehnten noch die ganze Welt gegen Nazis und Faschismus in die Schlacht zog, um das Ende der Menschlichkeit abzuwenden. Wenn der einstige große Befreier, die USA, und einige einst befreite europäische Länder nun aber selbst (wieder) politisch am rechtsrechten Rand angelangt sind, dann spricht man dem Publikum offenbar besser nicht ins Gewissen. Und wenn neue Nazis in neuen Gewändern Regierungsämter bekleiden, lässt man die Uniformen der Spielnazis auch gleich besser im Keller hängen. Denn wer will es sich mit dem Markt und den neuen Führern schon verscherzen? Und wieso auch, Herr und Frau Investor? Das Maschinengewehr rattert ohne Rückgrat genauso so geil durchs Bild und das Publikum füllt einem so oder so die Taschen.

"Der Zweite Weltkrieg, wie du ihn noch nie gesehen hast", wirbt EA auf der offiziellen Seite des Spiels. Wie zeitgemäß, dass gerade dieser Werbespruch so ehrlich ist. (Zsolt Wilhelm, 19.11.2018)