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Wirtschaftskammer-Generalsekretär Karlheinz Kopf will, dass die Kirche im Dorf bleibt. Einigen Einzelfällen stünden 3,8 Millionen Arbeitsverhältnisse gegenüber, bei denen alles korrekt sei.

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Die SPÖ verlangt am Freitag in der Sondersitzung des Nationalrats eine Rücknahme der Regeln zur Arbeitszeitflexibilisierung. Im "Dringlichen Antrag" der Sozialdemokraten wird ein neuer Anlauf gefordert, gemeinsam mit Sozialpartnern und Parlamentsparteien bis Jahresende moderne, praxistaugliche und für alle Betroffenen mit Rechtssicherheit ausgestattete Arbeitszeitregelungen herzustellen.

Argumentiert wird der Antrag damit, dass sich im Zusammenhang mit dem Zwölfstundentag bereits erwiesen habe, dass von der versprochenen Freiwilligkeit keine Rede sein könne. Verwiesen wird etwa auf eine Hilfsköchin in Wien, die gefeuert wurde, nachdem sie Zwölfstundenschichten verweigert hatte. Auch eine Firma in der Bundeshauptstadt, die bisherige Überstunden zu normalen zuschlagsfreien Stunden umwandelte oder ein Fall aus Salzburg, wo sich die Arbeitnehmer freiwillig und pauschal zur Wochenendarbeit verpflichten sollten, werden angeführt.

Laut Umfrage sinkende Zustimmung

Missbrauchsfälle rund um das neue Arbeitszeitgesetz häufen sich und bleiben nicht ohne Folgen. Obwohl es derzeit keine Anzeichen dafür gibt, dass die Österreicher flächendeckend länger arbeiten müssen – der Trend geht eher in Richtung Arbeitszeitverkürzung –, drücken die öffentlichen Auseinandersetzungen und Medienberichte über schwarze Schafe auf die Stimmung. Der Zwölfstundentag wird in einer neuen Umfrage von den Beschäftigten viel negativer gesehen als vor einem Jahr.

"Viele Menschen finden wegen der Diskussionen, dass es gefährlich ist, was auf uns zukommt", sagt David Pfarrhofer vom Market-Institut, der eine Befragung von 1.000 Arbeitnehmern im Auftrag der Wirtschaftskammer durchgeführt hat. Insgesamt ist die Stimmung sogar gekippt: Beurteilten im Jahr 2017 noch 58 Prozent den Zwölfstundentag positiv, so waren es im Oktober 2018 nur noch 39 Prozent, geht aus der Umfrage hervor.

Gemäß der Umfrage stellt sich die Situation in den Betrieben bisher nahezu unverändert dar. Soll heißen: Die Österreicher sind überwiegend ganz zufrieden mit der Arbeitszeit, lediglich vier Prozent der Befragten gaben an, dass sich ihre Büro- oder Produktionsrhythmen verändert haben, zwei Prozent sehen Eingriffe bei der Überstundenvergütung. Bei einer Schwankungsbreite von gut drei Prozent sind diese Entwicklungen vernachlässigbar, wie Pfarrhofer erklärte.

Vor Änderungen

Allerdings zeigt eine ebenfalls von ihm durchgeführte Befragung unter Unternehmern, dass Änderungen noch kommen dürften. Während erst drei Prozent bisher Adaptionen bei Einzel- oder Betriebsvereinbarungen vorgenommen haben, planen sieben Prozent entsprechende Umstellungen. Mit 87 Prozent gibt freilich eine satte Mehrheit der Arbeitgeber an, keine Änderungen bei den Arbeitszeitmodalitäten vornehmen zu wollen.

Für Wirtschaftskammer-Generalsekretär Karlheinz Kopf ist die verschlechterte Stimmung bei den Arbeitnehmern bezüglich des Zwölfstundentags ein Indiz dafür, dass "die Propaganda der Arbeitnehmerseite wirkt". Einzelfälle würden skandalisiert, dabei habe sich an der betrieblichen Praxis nichts geändert. Kopf stellte klar, dass er Missbrauch nicht toleriere und zu ahnden sei. "Aber man muss die Kirche im Dorf lassen. Einigen Einzelfällen stehen 3,8 Millionen Arbeitsverhältnisse gegenüber, bei denen alles korrekt ist", sagte der frühere ÖVP-Politiker.

"Höchst problematisch"

Dabei verwies er auch auf die rückläufigen Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes, die zuletzt trotz erhöhter Kontrollen festgestellt wurden. Kopf appellierte an die Gewerkschaft, die "irreführende Kampagnisierung zu beenden", um dann gleich eine Attacke wegen der aktuellen Lohnkonflikte zu reiten. Die Gewerkschaften tragen seiner Ansicht nach den politischen Kampf in die Tarifrunde. "Das hat dort nichts verloren. Für die Sozialpartnerschaft ist das höchst problematisch und sehr, sehr bedauerlich", kritisierte der Kammer-General.

Kopf begründet den Vorwurf mit den hohen Lohnforderungen. Rechne man zur angestrebten Anpassung um fünf Prozent die von den Arbeitnehmern auf den Tisch gelegten anderweitigen Verbesserungen – beispielsweise höhere Überstundenzuschläge und Kündigungsschutz – hinzu, komme man auf einen Lohnkostenanstieg von 20 Prozent. Die Kosten eines Streiktages könnten die Marke von 100 Millionen Euro überschreiten, warnte Kopf. (as, 15.11.2018)