Wien wächst weiterhin.

Foto: Michael Matzenberger

Wien – Naturkatastrophen, Klimawandel oder durch kurzfristige Ereignisse in anderen Staaten ausgelöste Flucht- und Migrationsbewegungen lassen sich in keine Wiener Bevölkerungsprognose einrechnen. Laut den zur Verfügung stehenden Zahlen und Annahmen über die Entwicklung von Fertilität, Mortalität und Migration soll sich das zuletzt massive Wachstum der Stadt aber stark einbremsen. Das ist eine der Kernaussagen der neuen Bevölkerungsprognose der MA 23 (Wirtschaft, Arbeit und Statistik), die alle vier bis fünf Jahre erstellt wird.

Abteilungsleiter Klemens Himpele und Projektleiter Ramon Bauer wiesen darauf hin, dass Wien seit dem Jahr 2001 um gleich 340.000 Menschen gewachsen ist. Eine derartige Entwicklung habe es zuletzt in der Monarchie gegeben. Dieses Wachstum beruht zu 90 Prozent auf Zuwanderungsgewinnen, vor allem aus dem Ausland, aber auch aus anderen Bundesländern. Für nur zehn Prozent des Wachstums zeichnete die positive Geburtenbilanz verantwortlich.

Weniger Zuwanderung

Nach den großen Flüchtlingsbewegungen von 2015, als die Bevölkerungszahl innerhalb nur eines Jahres um rund 43.000 Menschen zulegte, setzte danach bereits eine moderatere Zunahme ein. Zuletzt gab es von 2017 auf 2018 vergleichsweise nur noch ein Plus von rund 21.000 Personen. Diese Entwicklung soll sich weiter fortsetzen: Sinkende Zuwanderungszahlen sind damit der Hauptgrund für das schwächer prognostizierte Wachstum. Himpele: "In den nächsten Jahren ist mit einer Entspannung zu rechnen."

Neben der Zahl von Kriegsflüchtlingen soll auch der signifikante Zuzug aus Osteuropa – vor allem nach der EU-Arbeitsmarktöffnung – deutlich zurückgehen. Die Wiener Bevölkerungsprognose geht davon aus, dass das Lohnniveau in den kommenden Jahren in diesen Ländern steigt.

Auch in Zukunft sollen aber weit mehr Personen aus Deutschland nach Wien kommen als umgekehrt. Zwischen 2008 und 2017 gab es ein Plus von 18.000 Personen. Die Bilanz mit der Türkei, einem historisch gesehen bedeutenden Zuwanderungsland für Wien und auch für Österreich, ist hingegen inzwischen fast ausgeglichen, sagt Bauer.

Erstmals seit der Monarchie wieder zwei Millionen

Gemäß den aktuellen Annahmen geht die MA 23 davon aus, dass Wien 2027 erstmals seit der Monarchie wieder zwei Millionen Einwohner haben wird. Der historische Höchststand (2,088 Millionen) soll 2036 geknackt werden. Die Statistik Austria rechnete in früheren Prognosen nach 2015 damit, dass Wien bereits 2022 zwei Millionen Einwohner zählen könnte. Diese Annahme wurde im Vorjahr revidiert und auf 2026 verschoben.

Weiterhin positiv soll auch die Geburtenbilanz bleiben. 2016 wurde mit fast 21.000 Geburten ein neuer Wien-Rekord erzielt, der auch die Werte der Babyboomer-Generation der 1960er-Jahre übertraf.

Weil die Zuwanderung abnehmen soll, gewinnt das erwartete fortgesetzte hohe Geburtenplus statistisch an Bedeutung: In 15 Jahren könnte das Plus bei der Geburtenbilanz bereits rund 50 Prozent zum Bevölkerungswachstum beitragen. Bis zum Jahr 2004 war die Geburtenbilanz übrigens jahrzehntelang negativ.

Vor allem durch Zuwanderung ist Wien zuletzt deutlich jünger geworden. Weil diese aber abnehmen soll und gleichzeitig die Lebenserwartung steigt, wird Wien auch wieder älter: Derzeit beträgt das Durchschnittsalter rund 39 Jahre, in 30 Jahren soll dieses 43 Jahre betragen.

Pflegebedarf als massive Herausforderung

Die Zahl im Segment 80 plus wird sich zwischen 2018 und 2048 auf mehr als 160.000 verdoppeln, während die Zahl der Erwerbstätigen zwischen 15 und 64 Jahren annähernd konstant bleibt. Das führt zu enormen Herausforderungen im Bereich Pflege. Allein in den nächsten zehn Jahren soll die Zahl der Hochbetagten um 50 Prozent steigen.

Der Anteil der im Ausland geborenen Bevölkerung in Wien macht derzeit 36 Prozent aus. Dieser soll bis zum Ende des Prognosezeitraums 2048 – aufgrund des erwarteten Rückgangs an Zuwanderung – nur geringfügig auf 39 Prozent steigen.

Innerhalb der Bezirke werden unterschiedliche Bevölkerungsentwicklungen erwartet: Während vor allem die Außenbezirke mit ihren Möglichkeiten für große Stadtentwicklungsgebiete stark zulegen, könnte die Einwohnerzahl in Innenstadtbezirken zurückgehen.

In Mariahilf wird bis 2038 ein Rückgang um mehr als vier Prozent prognostiziert. (David Krutzler, 15.11.2018)