Immobilienmilliardär René Benko eröffnet ein neues Schlachtfeld, wenn er nun gegen die bestimmende Herausgeberfamilie Dichand in Stellung geht.

Foto: Christian Fischer

Christoph Dichand bringt die Eigentümer von Österreichs weitaus größter Tageszeitung schon seit bald zwei Jahrzehnten auf die Palme. Sein Vater, "Krone"-Gründer und -Herausgeber Hans Dichand, wollte den jüngsten Sohn Christoph spätestens ab 2001 zum Chefredakteur des Kleinformats machen. Und so beharrlich sich der deutsche Hälfteeigentümer der "Krone", die Essener Funke-Gruppe, auch gegen den stillen Juristen wehrte – am 28. Jänner 2003 ernannte ihn der Senior einfach zum Redaktionschef.

Spätestens seit diesem Tag herrscht offener Krieg zwischen den Wiener Dichands und der Essener Funke-Gruppe. Live im "ZiB 2"-Studio erinnerte der damalige Funke-Chef den 82-jährigen Dichand an seine "Endlichkeit" – der "Krone"-Herausgeber überlebte ihn schließlich um Jahre.

Dichands ältester Sohn Michael sagt den Funke-Managern Geschäfte mit der "Balkan-Mafia" nach und einem von ihnen Bestechlichkeit in einer früheren Funktion. Die Deutschen klagten (mit Erfolg) und konterten etwa mit Vorwürfen, die Dichands missbrauchten die "Krone" zur Bewerbung privater Beteiligungen

Ein jahrzehntelanger Stellungskrieg, ausgetragen vor allem vor Schiedsgerichten nach Schweizer Recht und ordentlichen Gerichten. Ein Krieg, der viele Schlüsselkräfte den Job kostete. Ein Krieg, der keinen Sieg, aber viele Niederlagen kannte. Vor allem für die deutschen Miteigentümer. Die holen sich nun Verstärkung mit dem für Durchsetzungskraft bekannten österreichischen Tycoon René Benko.

Jahrzentelanger Stellungskrieg

Worum geht es in diesem jahrzehntelangen Stellungskrieg? Nicht um Christoph Dichand, jedenfalls nicht um seine Funktionen in der "Krone". Sondern zuallererst um Geld – solide Renditen aus der "Kronen Zeitung". Und um Gewinnausschüttungen, die beide Gesellschafterlager zufriedenstellen. Doch an diesem Punkt finden die Gesellschafter der "Krone" nicht zusammen.

Vor allem weil die einstigen Konzernherren vor gut 30 Jahren, in goldenen Zeiten, mit vollen Geldspeichern und Gier nach dem österreichischen Kronjuwel der Medienwelt anderes vereinbarten: garantierte Gewinne für die Dichands, hohe einstellige Millionenbeträge pro Jahr, unabhängig vom Geschäftsgang der "Krone". Wenn die "Krone" sie nicht einspielt, müssen die deutschen Mitgesellschafter den Ösis das Geld überweisen.

Sie müssen im gemeinsamen "Krone-Kurier"-Verlag Mediaprint mit den Dichands stimmen. Und sie haben praktisch keinen Einfluss auf die Redaktion der "Krone" – gegen deren Ausflüge an rechte Ränder und darüber hinaus die Essener in den Jahrzehnten immer wieder, teils öffentlich protestierten.

Macht- und Gelddruckmaschine

Warum schließt man solche Verträge ab? Der milliardenschwere, hochprofitable Regionalzeitungskonzern aus dem Ruhrgebiet suchte 1987 Investitionsmöglichkeiten. Und ein hochprofitables Boulevardblatt mit – noch in Schilling – Milliardengewinnen suchte einen Hälfteeigentümer: die "Kronen Zeitung", schon damals vielfach größer als alle Mitbewerber.

In drei Wiener Hotels saßen im Spätherbst 1987 kaufwütige Verleger: Im Intercontinental Vertreter des Hamburger Bauer-Verlags, im Sacher die Funkes (sie nannte sich damals noch WAZ-Gruppe) und im Hilton Herren vom Schweizer Ringier-Verlag. So pokert man Konditionen in Höhen, an denen der neue Partner die nächsten Jahrzehnte laborierte.

Auch diese Investorensuche 1987 war Ergebnis eines jahrzehntelangen Streits. Eines Streits zwischen zwei Männern, die die "Krone" 1959 wiedergegründet und gemeinsam zur Macht-, Meinungs- und Gelddruckmaschine gemacht haben. Die die Krone in diesen Jahren – noch ein langer, erbitterter Streit, diesmal gegen tatsächliche und potenzielle Investoren aus SPÖ und ÖVP – ganz unter ihre Kontrolle gebracht haben: Hans Dichand und Kurt Falk.

Falk wollte es 1987 Dichand mit einem eigenen Boulevardblatt zeigen oder die "Krone" übernehmen. Er schlug Dichand vor, Investoren für seine "Krone"-Hälfte zu finden – hätte Dichand es in einem halben Jahr nicht geschafft, wäre Multimilliardär Falk am Zug gewesen. Davon ging Falk aus – und irrte sich gründlich. Wie gleich darauf die Funke-Gruppe mit ihren Verträgen, um an Falks 50 Prozent an der "Krone" zu kommen.

Und die Verhältnisse werden 1988 noch viel komplizierter: Die Funkes steigen auch noch bei Österreichs zweitgrößter Zeitung "Kurier" ein. Sie vereinen beide Verlage in der Mediaprint mit je zwei Vertretern von Dichands, Funke und "Kurier"-Haupteigentümer Raiffeisen im entscheidenden Gesellschafterausschuss – wo die Funkes laut Verträgen mit den Dichands stimmen müssen.

Gewinngarantie

Und sie legen fest, dass die Mediaprint-Gewinne zwischen der hochprofitablen "Krone" und dem weit weniger schmucken "Kurier" 70:30 aufgeteilt werden. So hat auch der "Kurier" einen garantierten Gewinn – den wiederum die Dichands bekämpfen.

Doch auch die Mediaprint lässt sich nicht so einfach wieder aufdröseln: Wer die Gesellschaft verlassen will, und das wünschen sich die Dichands immer wieder vom "Kurier", muss seine Anteile an Österreichs größtem Zeitungsverlag mit Druckereien und Vertrieb den Mitbewerbern zum – spottbilligen – Buchwert anbieten.

Schiedsgericht um Schiedsgericht, laut den Gesellschaftsverträgen zuständig für den Streit zwischen den "Krone"-Eigentümern (und jenen der Mediaprint), arbeitete sich über die Jahrzehnte an Gewinngarantien, einseitigen Bestellungen, Entlassungen und anderen Konfliktherden zwischen den Dichands und den Funkes ab. Alle bisherigen Entscheidungen lassen sich grob zusammenfassen mit: Es bleibt, wie es ist. Und das kommt vor allem den Dichands und ihrer Gewinngarantie gelegen. Ob die "Krone" mehr abwirft, muss sie damit nicht brennend interessieren. Im Gegenteil: Höhere Renditen bedeuten nur höhere Kaufpreise für "Krone"-Anteile.

Doch seit wenigen Monaten können die Vereinbarungen zwischen den Dichands und der Funke-Gruppe aus dem Jahr 1987 laut den Gesellschafterverträgen gekündigt werden. Die Deutschen haben die Kündigung (wieder einmal) ausgesprochen, die Dichands haben (wieder einmal) ein Schiedsgericht dagegen angerufen.

Kampfansage aus Essen

Christoph Dichand machte der Funke-Gruppe immer wieder Kaufangebote (und schlug solche aus Essen aus). Erst vor wenigen Wochen versuchten Dichand und Raiffeisen sehr konkret, die deutschen Anteile an "Krone" und "Kurier" zu übernehmen. Doch der Essener Konzern in Familienbesitz suchte eine passendere Antwort auf Jahrzehnte der Kommunikationsverweigerung, der Blockade, der Feindschaft und vielleicht auch Demütigung aus Wien.

2017 sprachen die Essener mit Dichands Erzfeinden Fellner (Mediengruppe Österreich) über ihre "Krone"-Anteile. Nun holt die Funke-Gruppe Immobilienmilliardär René Benko an Bord. Er übernimmt, vorerst jedenfalls, 49 Prozent an der Funke-Beteiligungsholding für die österreichischen Blätter, die rund die Hälfte an "Krone" und "Kurier" besitzt. Christoph Dichand nahm das als Kampfansage. Und genau so hat die Funke-Gruppe die Partnerschaft mit Benko auch gemeint. (Harald Fidler, 17.11.2018)