Gespür kann man nicht lernen. Man hat es oder eben nicht. Der Obmann der Allgemeinen Unfallversicherung, Anton Ofner, gehört offenbar zur zweiten Kategorie. Weil sein roter Stellvertreter und der Zentralbetriebsratschef politisch gegen den Sparkurs bei der AUVA mobilisiert haben, ließ er um 20.000 Euro ein Gutachten in Auftrag geben, um auszuloten, wie man gegen die beiden Genossen vorgehen könnte. Jetzt wird eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft vorbereitet.
Damit schießt er weit über das Ziel hinaus. Klar: Die Angriffe der Gewerkschafter kommen eher mit dem Holzhammer daher. Es ist maßlos übertrieben, dass die Regierung die Gesundheit von "fünf Millionen Österreichern gefährdet". Und es war natürlich nie Thema, die Behandlung von Patienten einzustellen. Wer solche Dinge behauptet, spitzt die Situation zu. Man könnte es auch Propaganda nennen. Das ist aber in der politischen Kommunikation nichts Außergewöhnliches. Die Bundesregierung macht nichts anderes.
Das kann man kritisieren, man kann es sogar für vertrottelt halten. Seinen Unmut in Anzeigen zu gießen, die auf hingedeichselten Auftragsgutachten basieren, ist aber keine Lösung. Betriebsräte sind in Österreich mit gutem Recht besonders abgesichert. Diesen Schutz braucht es, damit sie nicht unter Druck gesetzt werden und sich für ihre Belegschaft einsetzen können. Die Meinungsfreiheit ist selbstredend eines der höchsten Güter.
Die Arbeitgeber-dominierte AUVA wäre daher gut beraten, einen Gang zurückzuschalten. Das Klima ist wegen einiger koalitionärer Reformvorhaben – Stichwort Arbeitszeit und Kassenreform – ohnehin schwer belastet. Auch wenn die Sozialpartner jetzt weniger häufig gefragt werden, müssen sie auch in Zukunft gemeinsam am Verhandlungstisch sitzen. Dort gehören Konflikte ausgetragen, nicht beim Staatsanwalt. (Günther Oswald, 16.11.2018)