Werner Amon hat für die ÖVP schon viele Aufgaben übernommen. Derzeit greift er auf Brecht und Anleihen aus der Kulinarik zurück, wenn es um den blauen Innenminister geht.

Foto: Matthias Cremer

Wie viele Freunde er in seinem Leben schon vergrault hat? Vielleicht ist ihm aber auch niemand für lange Zeit böse, weil man ja weiß, wie Werner Amon tickt: Harmoniesucht ist ihm fremd. Im Gegenteil: Er liebt es zu sticheln. Und wenn dann einer böse wird, nimmt er es mit Schmäh – und legt vielleicht noch nach.

So auch im Untersuchungsausschuss zur BVT-Affäre, derzeit Hauptspielplatz des ÖVP-Veteranen. Der Fraktionsführer der ÖVP-Abgeordneten im U-Ausschuss könnte es sich leichter machen, könnte sich öfters entschuldigen lassen und seine sieben Fraktionskollegen die Arbeit machen lassen. Amon tut es nicht. Im Gegenteil: Nur wenige sind so engagiert, wenn es darum geht, Missstände im FPÖ-geführten Innenministerium aufzuzeigen.

Frage-Antwort-Spiel

Im U-Ausschuss glänzt Amon mit perfekter Vorbereitung und spezieller Fragetechnik: Der 49-Jährige weiß nicht nur, was er hören will, er weiß auch, wie er es bekommt. Nämlich mit klug gesetzten Detailfragen, die er, wenn nötig, so oft wiederholt, bis der Zeuge nicht mehr ausweichen kann.

So auch am 6. November, als der mächtigste Beamte im Innenministerium, Peter Goldgruber, im Ausschuss auftrat. Während in Medienberichten bereits vor Goldgrubers Auftritt spekuliert wurde, dass Kickl seinen mächtigsten Beamten loswerden könnte, um sich in der BVT-Affäre reinzuwaschen, brachte Amon ganz gezielt Kickl selbst ins Spiel. "Wer kann Ihnen eine Weisung erteilen?", fragt Amon. "Der Herr Bundesminister", antwortet Goldgruber. Amon: "Sonst niemand?" Und Goldgruber: "Nein, sonst niemand."

Natürlich fragt Amon diese Dinge nicht, weil er sie nicht weiß. Er will, dass sich die Öffentlichkeit bewusst wird, wer die politische Verantwortung für die Affäre rund um die Razzia im Verfassungsschutz trägt.

Zugleich ist sein Auftreten ein Zeichen an die Blauen im Ausschuss, die ihn zuvor öffentlich attackiert und Amons Ablöse als ÖVP-Fraktionsführer gefordert hatten. Das Signal ist klar: Einschüchtern funktioniert bei Amon nicht. Eher im Gegenteil: Es war am Tag des Goldgruber-Auftritts, also nach den freiheitlichen Verunglimpfungsversuchen, als Amon vor die Kameras trat und mit dem für ihn typischen schelmischen Grinsen sagte: "Mein Eindruck ist, das Gansl wird schön langsam knusprig." Ein Zitat des langjährigen Gewerkschafters Fritz Neugebauer, das er einst anbrachte, als die Arbeitnehmervertreter knapp vor einem Verhandlungsdurchbruch standen.

Wie Amon das mit dem Braten eigentlich gemeint habe? Er selbst erklärt, er habe lediglich darauf hinweisen wollen, dass jetzt, nach der Aussage Goldgrubers, alles "in Richtung Ressortleitung", sprich Kickl, zulaufe und man damit langsam zum Ende des ersten Themenbereichs gelange. Nachsatz: "Dann gilt es, politische Verantwortung zuzuordnen."

Hände weg

Als der Innenminister kurz zuvor im Parlament seinen zweiten Misstrauensantrag – diesmal wegen "Anregungen" aus seinem Haus, die Zusammenarbeit mit kritischen Medien einzuschränken – abwehren musste, griff der schwarze Sicherheitssprecher zu einem Zitat Bertolt Brechts und erklärte: "Vertrauen wird dadurch erschöpft, dass es in Anspruch genommen wird." Da hat auch die SPÖ die Ohren gespitzt.

Josef Cap etwa kennt Amon als "erfahrenen, belesenen Abgeordneten mit Handschlagqualität", aber: Als Brecht-Experte sei er ihm bisher nicht aufgefallen. Der langjährige rote Klubchef dechiffriert die im Zitat verpackte Botschaft vielmehr als "Hände weg von denen, die wir – die ÖVP – im BVT eingesetzt haben".

Amon spricht von Dingen, "bei denen man eine klare Linie ziehen" müsse – "auch wenn das manchen Blauen nicht passt". Und weil die FPÖ seine kritischen Wortspenden mit einer Zwei-Firmen-Theorie über die ÖVP beantwortet hat, in deren Reinkarnation Amon nie angekommen sei, erklärt er demonstrativ: "Wer das behauptet, kennt mich schlecht. Natürlich bin ich ein Türkiser."

Das Elternhaus war jedenfalls "tiefschwarz". Im steirischen Knittelfeld fängt er 1986 als Stadtobmann der Jungen ÖVP an. Es folgt eine lange Reihe weiterer Aufgaben: 1988 Bundesschulsprecher, 1993 Bundesobmann der JVP, Parteiobmann Erhard Busek holt ihn ins Parlament – und in den Parteivorstand. Hier hat sich außer Alois Mock und Erwin Pröll keiner länger gehalten. Im Jahr 2003 übernimmt der Marketingkaufmann (Unilehrgang an der WU, gefolgt von Masterstudiengängen in Business-Administration) als ÖAAB-Generalsekretär und rechte Hand von Fritz Neugebauer. Der sagt, mit Amon habe er sich nicht groß abstimmen müssen, der sei nämlich sozial umgänglich und firm in der Sache. Die ÖVP macht ihn abwechselnd zum Bildungs-, Europa-, Sozial- und Sicherheitssprecher. Auch Klubobmann-Stellvertreter ist Amon jahrelang, "Steirer-Klubchef" ist der Pendler – verheiratet, vier Kinder – bis heute. 2016 wird Amon zum Kurzzeitgeneral unter Reinhold Mitterlehner – bis Sebastian Kurz kommt.

Come rain or come shine

Werner Amon, ein Mann für alle Jahreszeiten, für alle Gelegenheiten? Beim Bundesheer wäre einer wie er Systemerhalter. "Aufstieg und Abstieg, das gehört für ihn zum Alltag", glaubt Cap. Als in der Causa Telekom gegen ihn wegen nicht zuordenbarer Druckkostenbeiträge für eine ÖAAB-Zeitschrift ermittelt wird, ist unklar, ob Amon das politisch überlebt. Die Ermittlungen gegen ihn wurden eingestellt, doch das mediale Dauerfeuer hat Schrammen hinterlassen. Auch ein nicht gemeldetes Nebeneinkommen nagt am Image. Er sei eben auch eine "zutiefst sensible Persönlichkeit", weiß der steirische Landesrat Christopher Drexler (ÖVP), ein Freund aus Schülertagen.

Otto Pendl saß mit Amon gleich in mehreren U-Ausschüssen. Der SPÖler lobt sein einstiges Sicherheitssprecher-Visavis als Parlamentarier mit Handschlagqualität und großem Interesse am Diskurs. Pendl, der die Einsetzung von U-Ausschüssen als Minderheitenrecht als große gemeinsame Errungenschaft präsentiert, erklärt: "Manchmal brauchst du eine Entkrampfung auch neben dem Verhandlungstisch, da war der Werner Amon immer mit dabei." (Karin Riss, Maria Sterkl, 18.11.2018)