Wien – Es war alles schon größer bei den Grünen. Und euphorischer. Zwei Minuten braven Pflichtapplaus bekommt Werner Kogler am Samstag beim Einmarsch zum 39. Parteitag, der bei den Grünen Bundeskongress heißt. Eingemietet hat man sich im Studio 44 der österreichischen Lotterien, also dem Konkurrenten des Glücksspielkonzerns Novomatic, bei dem Ex-Parteichefin Eva Glawischnig jetzt arbeitet.

Werner Kogler wie er leibt und lebt: Er marschiert während der Rede auf der Bühne auf und ab.
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Nach dem Rausflug aus dem Nationalrat geht es hier um eine Art Neustart, um Koglers Wahl zum Parteichef und einen Vorgeschmack auf die EU-Wahl im Mai 2019. Bei dieser will der gebürtige Steirer, der in drei Tagen seinen 57. Geburtstag feiert, als Spitzenkandidat antreten.

Kaffee und Kuchen für vier Euro

Das Budget ist von 8,6 Millionen Euro im Vorjahr auf 908.000 Euro im heurigen Jahr geschrumpft. Die Geldnot spiegelt sich auch beim Bundeskongress wider. Gratis ist nur das Wasser, der Kaffee kostet 1,5 Euro, Tee einen Euro und der Kuchen 2,5 Euro.

Die Location passt zu den Zukunftshoffnungen der Ökopartei. Die Grünen wollen wieder gewinnen, nicht im Lotto, sondern bei Wahlen. Georg Willi hat das schon geschafft. Er ist seit dem Frühjahr Bürgermeister von Innsbruck und weiß daher, wie es geht.

Georg Willi soll das Vorbild sein. Er setzte sich heuer bei der Innsbrucker Bürgermeisterwahl durch.
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Unerschrocken und augenzwinkernd – so sollen die Grünen sein, rät Willi. Und sie müssten den Bürgern zuhören. Er habe sich am Beginn seiner Kampagne mit seinen Mitstreitern auf die Straße gestellt, Kürbis-Cappuccino serviert und sich einfach die Sorgen der Bevölkerung angehört. Unvoreingenommen, nicht belehrend, erzählt er.

Aber trotzdem müsse man natürlich "Haltung zeigen". "Wir stehen für Menschenrechte, Demokratie, sozialen Ausgleich, den Kampf gegen Klimawandel." Werner Kogler ist für Willi der richtige Typ dafür, all das unter einen Hut zu bekommen. "Er kann die Brücke zwischen dem Wirtshaus in Graz und Brüssel schlagen."

Eine Liebeserklärung an die Welt

Das mit dem Augenzwinkern versucht Kogler in seiner Rede gleich aufzugreifen. Er marschiert, ohne Sakko, Ärmel aufgestrickt, auf der kleinen Bühne auf und ab, gibt sich selbstironisch, produziert reihenweise Lacher. Die Redezeit überzieht er gehörig, statt 30 spricht er 60 Minuten, streift viele Themen, vielleicht zu viele, wenn er eine Kernbotschaft transportieren wollte.

Und er versucht, Optimismus zu versprühen. "Eigentlich ist grüne Politik eine Liebeserklärung an die Welt", sagt Kogler und appelliert an die Parteifreunde, ebenfalls die Ärmel aufzukrempeln: "Rudern statt Sudern."

Die Koalition bekommt aber natürlich auch immer wieder ihr Fett ab. Ausgerechnet eine "Bundesregierung der Heimatliebe" habe nichts Besseres zu tun als das rot-grün regierte Wien permanent schlecht zu machen. Im Umweltbereich werde versucht, alles um 30 bis 40 Jahre zurückzudrehen, aber: "Unterlassen ist ein Vergehen an der Zukunft."

"Furzen ihre Sachen in den Kurier"

Fehlen darf natürlich nicht das Asylthema, bei dem sich vor allem Oberösterreichs Landesrat Rudi Anschober für von Abschiebung bedrohte Lehrlinge einsetzt. Kogler: "Wer Familien zerreißt und Ausbildungen zerstört, der kann kein Herz haben."

Etwas ungewöhnlich für einem Grünen ist das wiederholt eingestreute Medien-Bashing. Kogler beklagt sich, dass zu wenig über die Aktivitäten der Grünen berichtet werde und sagt, wieder auf die Bundesregierung gemünzt: "Sie furzen weiter ihre Sachen in den Kurier."

Zum Schluss gab es es Blumen und 99,02 Prozent Zustimmung der Partei.
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99,02 Prozent für Kogler

Nach knapp einer Dreiviertelstunde ist der voraussichtliche EU-Spitzenkandidat (die offizielle Kür erfolgt bei einem eigenen Kongress) dann beim Europathema – und formuliert äußerst angriffig. Alles, was vor einigen Jahren noch normal gewesen sei, sei heute in Gefahr. "Mittlerweile ist Blau rechtsextrem. Rechtspopulistisch ist türkis." Kogler ruft in Erinnerung: "Wenn er scharf gestellt ist, führt Nationalismus zu Krieg – verdammt noch mal." Der Gegner für den EU-Wahlkampf ist also klar ausgemacht: "Europa muss vor den alten Nationalisten und den neuen Rechtsextremen geschützt werden."

Die FPÖ sei engstens befreundet mit Italiens Innenminister Matteo Salvini, der Roma registrieren wolle. Die ÖVP kooperiere weiter mit Ungarns Regierungschef Viktor Orban, obwohl in Ungarn "Flüchtlings- und Menschenhatz" auf der Tagesordnung stünden. Daher sei klar: "Jede Stimme für diese türkise Truppe ist eine antieuropäische Stimme."

Die Partei überzeugt das. Am Ende der Rede fällt der Applaus schon deutlich euphorischer aus. 203 von 205 gültigen Stimmen entfallen auf Kogler. Er ist damit mit 99,02 Prozent zum neuen Bundessprecher gewählt. Gegenkandidaten gab es keinen. In zwei Jahren will er das Amt an einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin übergeben. (Günther Oswald, 17.11.2018)