Die Rolle des Staatsmanns wird ihm noch nicht so ganz geglaubt: Heinz-Christian Strache und der in der Kanzlerfrage weit vor ihm liegende Amtsinhaber Sebastian Kurz

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Linz/Wien – Den Landtagsabgeordneten und Buchautor Martin Hobek weiß der blaue Parteichef Heinz-Christian Strache wohl hinter sich: Am Donnerstag wird er die ersten Exemplare von Hobeks Buch "HC Strache – Vom Rebell zum Staatsmann" in der Wiener Buchhandlung Frick signieren. Allerdings: Ganz wird ihm das Staatsmännische nicht einmal in der eigenen Gefolgschaft abgenommen. Ein gutes Drittel der FPÖ-Wähler präferiert laut einer Umfrage des Linzer Market-Instituts für den STANDARD den Amtsinhaber Sebastian Kurz (ÖVP) als Bundeskanzler.

Und auf die Frage, ob die FPÖ schon in ihre neue Rolle als Regierungspartei gefunden habe, sagen zwar 84 Prozent der befragten FPÖ-Wähler, aber nur 50 Prozent aller Befragten, dass das der Fall sei. 40 Prozent sagten explizit, dass die Freiheitlichen noch nicht in dieser Rolle auch wirklich angekommen sind. Ob das am BVT-Skandal, an den handelnden Personen oder der allgemeinen Performance der Regierung liegt, könne man so nicht beantworten, weil es nicht häher abgefragt wurde, sagt Market-Institutsleiter David Pfarrhofer.

Was allerdings abgefragt wurde, ist eine allgemeine Benotung der Regierung. Und da gibt es insgesamt gute Noten: "Zwölf Prozent ‚Sehr gut‘ und 28 Prozent ‚Gut‘ – das haben wir noch nie gemessen", sagt Pfarrhofer.

Die Durchschnittsnote 2,98 stellt einen Spitzenwert dar. Allerdings gibt es auch 17 Prozent "Nicht genügend".

Sebastian Kurz punktet auch bei FPÖ-Wählern

An Bundeskanzler Sebastian Kurz reicht derzeit keiner heran: In der (fiktiven) Kanzlerfrage wird er von 39 Prozent genannt, das sind drei Prozentpunkte mehr als noch im Oktober. 93 Prozent der bekennenden ÖVP-Wähler nennen ihn sofort, weitere vier Prozent auf Nachfrage. Überdurchschnittlich viele Nennungen bekommt er von Menschen mit geringer Bildung und aus ländlichen Regionen.

Erstaunlich findet David Pfarrhofer, der mit dem Linzer Market-Institut diese Umfrage für den STANDARD durchgeführt hat, dass Kurz auch mehr als einem Drittel der FPÖ-Wähler als erste Wahl erscheint: "Die FPÖ-Wähler wünschen sich gut zur Hälfte ihren Parteichef Heinz-Christian Strache als Bundeskanzler – aber der Vizekanzler kann außerhalb seiner eigenen Partei kaum punkten. Und viele Anhänger der FPÖ scheinen damit zufrieden zu sein, dass eben der Koalitionspartner den Bundeskanzler stellt."

In kumulierten Zahlen (Kanzlerfrage plus Nachfrage an Unentschlossene) sieht das so aus:

  • Sebastian Kurz wünschen sich 39 Prozent als Kanzler, das deckt sich im Wesentlichen mit dem Befund des Instituts Unique Research, das laut profil Kurz bei 41 Prozent sieht. Bei der Sonntagsfrage rechnet Market für die Kurz-ÖVP derzeit (wie schon in den vergangenen Monaten) mit 33 Prozent, Unique Research kommt sogar auf 35 Prozent. Auffallend ist, dass sich jüngere Befragte deutlich weniger als die Älteren zur ÖVP bekennen, in den Rohdaten punkten in diesem Wählersegment sowohl die Türkisen als auch die Roten, Blauen und Pinken etwa gleich stark mit jeweils rund 17 bis 21 Prozent. Pfarrhofer: "Man kann bei keiner dieser Parteien sagen, dass sie bei den Wählern unter 30 statistisch signifikant vorne läge."
  • Pamela Rendi-Wagner liegt in der Market-Kanzlerfrage mit kumuliert 23 Prozent an zweiter Stelle – das ist der schlechteste Wert, den die jeweilige SPÖ-Spitze seit dem Abgang von Werner Faymann im Frühjahr 2016 verbuchen musste, Unique Research sieht Rendi-Wagner sogar noch schlechter als Kanzlerkandidatin aufgestellt. In der hochgerechneten Sonntagsfrage kommt Rendi-Wagners SPÖ bei Market auf 26 Prozent und damit knapp auf den zweiten Platz – zwei Prozent Verlust gegenüber der Oktober-Umfrage. Wie auch die ÖVP holt sich die SPÖ einen beachtlichen Teil ihrer Zustimmung von älteren Wählern. Und: Als Persönlichkeit kann Rendi-Wagner Männer deutlich stärker ansprechen als Frauen – ihre eigene Partei (die Ende der Woche Parteitag hat) dürfte sie auch noch nicht komplett überzeugt haben.
  • Heinz-Christian Strache hat die Gefolgschaft seiner Partei noch weniger hinter sich, wenn es um die Kanzlerschaft geht – in der gesamten Wählerschaft sind es nur zehn Prozent, die sich den Freiheitlichen als Kanzler wünschen. Im langfristigen Vergleich hat Strache vor allem im Sommer und Herbst 2015 (dem Jahr der Flüchtlingskrise) Spitzenwerte bis zu 25 Prozent erreicht. In der Sonntagsfrage kommt Straches FPÖ auf 25 Prozent mit leicht steigender Tendenz, damit liegt sie beinahe gleichauf mit der SPÖ (auch dieser Befund deckt sich annähernd mit jenem von Unique Research). Auffallend ist, dass nur 50 Prozent der Befragten meinen, dass die FPÖ schon in ihre neue Rolle als Regierungspartei gefunden hat – das ist zwar etwas besser als im Frühjahr, reicht aber bei weitem nicht an den in der Grafik dokumentierten Wert der ÖVP heran.
  • Beate Meinl-Reisinger erreicht in der Kanzlerfrage zwar nur vier Prozent, dafür liegen die Neos stabil bei acht Prozent in der Sonntagsfrage. Die Neos-Wählerschaft ist tendenziell jung, besser gebildet als der Durchschnitt und städtisch geprägt.
  • Maria Sterns Wählerinnen muss man in den Umfragetabellen mit der Lupe suchen, männliche Wähler scheint die Chefin der Liste Pilz überhaupt nicht zu erreichen. Die Liste Pilz ist allerdings insgesamt eine statistisch beinahe verschwindende Größe, nur jeder 50. Wahlberechtigte bekennt sich zu ihr – etliche Pilz-Wähler sehen sich heute eher bei der SPÖ oder bei der ÖVP besser aufgehoben.

Und was ist mit den Grünen? Sie wären – anders als die abgespaltete Liste Pilz – nach der Market-Hochrechnung wieder im Parlament vertreten. Pfarrhofer sagt dazu: "Wir haben die Grünen in der Hochrechnung bei fünf Prozent, die Rohdaten legen nahe, dass vielleicht noch mehr drinnen wäre. Aber da muss man auch betrachten, dass die Grünen in Umfragen immer wieder mehr Zustimmung hatten als dann an der Wahlurne."

Auch käme es dann auf eine konkrete Wahlkampfsituation an, die eben momentan nicht gegeben ist. Die Frage, ob die Grünen schon in ihrer von den Wählern im Vorjahr zugewiesene Rolle als außerparlamentarische Opposition angekommen seien, beantworten nur elf Prozent positiv. (Conrad Seidl, 19.11.2018)