Wo früher Zigaretten hergestellt wurden, arbeiten heute Start-ups gemeinsam mit Corporates an neuen Geschäftsideen.

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Linz – Der Name Strada del Start-up lässt eine Anlehnung an Rainhard Fendrichs Hit "Strada del Sole" vermuten. Die ersten Worte des Songs stehen auch mit großen Lettern an einer Wand im neuen Gründercampus in der Linzer Tabakfabrik. Die besungene Hitz' fehlte bei der offiziellen Eröffnung am Dienstag. Fünf Grad und Wind. Aus den "fehlenden Lire" lässt sich jedoch eine recht annehmbare Analogie bilden. Viele der frisch eingemieteten Jungunternehmer suchen klarerweise immer wieder nach Investoren und deren metaphorischen Lire. Tatsächlich war der Name nur ein Arbeitstitel für das Projekt, erzählt Christian Forsterleitner von Start-up 300. Man sei aber dann darauf "picken geblieben".

Die Strada geht vom Business-Angel-Netzwerk Start-up 300 aus. Erst kürzlich ließ es mit der Übernahme der Crowdfunding-Plattform Conda aufhorchen. Auf 230 Metern bietet die Strada Platz für 300 Arbeitsplätze. Von den 57 zur Verfügung stehenden Kojen sind lediglich noch acht zu haben. Junge Unternehmen wie das Modelabel Vresh, die Kryptofirma Blockpit oder Event-Start-up Triply reihen sich neben Corporates wie FACC, Doka, KPMG oder der Wiener Städtischen. Die erfahrenen Unternehmen nutzen die Tabakfabrik zur Auslagerung von Projekten, aber teilweise auch als fixen Arbeitsplatz für Mitarbeiter.

Durch die Linzer Tabakfabrik zieht sich eine 230 Meter lange Straße, die als neue Heimat für Start-ups dient.
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Ein Start-up kann ein privates Büro für vier Personen um 600 Euro im Monat mieten, ein etabliertes Unternehmen für 2.400 Euro. Der Zugang zum Coworking-Space ohne fixen Platz kostet 100 Euro. Thematisch soll der Straßenzug in die digitale Zukunft führen und um Technologien wie Virtual Reality, Blockchain, Machine Learning oder künstliche Intelligenz kreisen.

Gschwantner setzt auf autonome Mobilität

Die Eröffnungsrede hielt passenderweise das heimische Start-up-Aushängeschild Florian Gschwandtner von Runtastic. Er sieht in Linz und in der Strada viel Potenzial, sogar so viel, dass er meint, Linz könnte irgendwann zur Innovationsstadt Nummer eins in Österreich werden. In seiner gewohnt schwunghaften Art sprach er über Unternehmertum und forderte eine Änderung der Rahmenbedingungen. Es müssten gewisse Änderungen passieren, damit Österreich nicht den Anschluss verliert. Unter anderem sollte Risikokapital steuerlich absetzbar werden oder Programmieren als dritte Fremdsprache etabliert. Große Hoffnungen hegt er für die Mobilfunkindustrie und autonome Mobilität.

"Zum Scheitern verurteilt"

Begeistert gibt sich der Linzer Bürgermeister Klaus Luger (SPÖ): "Die Strada ist ein Triple-A-Projekt." Und das obwohl er die Tabakfabrik an sich aufgegeben hatte. "Der Standort war zum Scheitern verurteilt. Wenn das Projekt nicht funktioniert hätte, wäre die Welt nicht untergegangen. Dass es so gut funktioniert, freut mich umso mehr", sagt Luger im Gespräch mit dem STANDARD.

Von etwaigen Schwierigkeiten in der Aufbauphase will Luger nichts wissen. Es sei alles problemlos verlaufen. Dem Vernehmen nach hätte sich allerdings auch der Wiener Start-up-Hub Wexelerate in der alten Zigarettenproduktionshalle einmieten wollen. Dagegen hat sich Start-up 300 jedoch erfolgreich gewehrt.

Strom aus dem Seil

Einrichtungstechnisch hat man sich an einer tatsächlichen Straße orientiert – jedoch eher einer hippen Gasse im Silicon Valley als einem Weg in einem Industriegebiet. Straßenschilder, Hollywoodschaukeln, Ampeln, Graffitis und natürlich eine Bar zieren die Strada. Auch kleine Spielereien haben sich die Innenarchitekten überlegt. Beispielsweise kommt der Strom nicht aus der Steckdose, sondern aus Seilen, wie man sie ursprünglich aus dem Turnunterricht kennt.

Die Stromquellen erinnern an die Seile, die im Turnsaal der Schule von der Decke hingen.
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Pitching-Wettbewerb für Schüler

Im Vorfeld zur offiziellen Eröffnung wurde in der Strada ein Pitching-Wettbewerb der etwas anderen Art veranstaltet. Die Schüler der Handelsakademie Traun bekamen die Möglichkeit, ihre eigenen Geschäftsideen zu präsentieren. Fünf Teams stellten sich den rund 130 anwesenden Mitschülern und der Jury, in der unter anderem Start-up-300-Vorstand Bernhard Lehner und die Präsidentin der Wirtschaftskammer Oberösterreich, Doris Hummer, saßen.

Der Sieg ging an das Team Seaorbis. Die drei 17-jährigen Schülerinnen Elmedina Hodzic, Hava Dukaeva und Aira Selimovic haben sich ein System für smarte Mülltonnen überlegt. Ein Sensor registriert, wie viel Müll man in die Tonne wirft, eine App zeichnet es auf. Das Ganze ist an ein Bonuspunktesystem gekoppelt. Je mehr Müll man wegwirft, desto mehr Bonuspunkte gibt es. Sponsoren und Partner sollen die Punkte in weiterer Folge vergüten.

Die drei Schülerinnen der HAK Traun träumen von smarten Mülltonnen und einer Gesellschaft, die bewusster mit Abfall umgeht.
Foto: Christian Koblmüller

Neben Sachgutscheinen hat Seaorbis eine sechsmonatige Mitgliedschaft in der Tabakfabrik gewonnen. "Wir werden in unserer Freizeit an der Idee arbeiten und uns nach der Matura voll darauf konzentrieren", sagt Elmedina Hodzic begeistert. Lehner kann der Idee einiges abgewinnen: "Der Ansatz ist gut. Mit ein bisschen Glück finden wir in einer kleinen Gemeinde in Oberösterreich einen aufgeschlossenen Bürgermeister und können einen Testlauf mit dem System starten." (Andreas Danzer, 20.11.2018)