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Der österreichische Kanzler gibt sich betont Israel-freundlich: ein Handshake zwischen Sebastian Kurz und Premierminister Benjamin Netanjahu im Juni 2018 in Jerusalem.

Foto: REUTERS/Ammar Awad/Pool

Bundeskanzler Sebastian Kurz lädt am Mittwoch zu einer pompösen Konferenz nach Wien, bei der ursprünglich auch die Teilnahme von Israels Premier Benjamin Netanjahu vorgesehen war. Die Tagung soll sich gegen Antisemitismus und Antizionismus richten – ein unzulässiges Amalgam, denn Antisemitismus bedeutet Feindschaft gegen Juden "weil" sie Juden sind, also eindeutig eine Form von Rassismus; Antizionismus hingegen bedeutet die Ablehnung eines bestimmten politischen Projekts, das durchaus problematische Folgen zeitigte – und zeitigt. So verständlich und nachvollziehbar der Zionismus als die Perspektive einer unterdrückten Minderheit in Europa auch scheinen mag – es lässt sich nicht leugnen, dass die Auswirkungen des Projekts auf Palästina für die einheimische Bevölkerung katastrophal waren (und sind). Das Projekt jüdischer Staatlichkeit nahm die Form einer kolonialen Siedlerbewegung an, was den Konflikt im Nahen Osten bis heute prägt.

Falsche Voraussetzungen

Wenn nun eine Kritik dieses Projekts generell mit Antisemitismus gleichgesetzt wird, dann läuft das auf die Tabuisierung eines politischen Unternehmens hinaus. Und genau das soll bei der bevorstehenden Konferenz demonstriert werden. Damit haben sich die falschen Voraussetzungen der Konferenz jedoch keineswegs erschöpft. Es geht nämlich aktuell um den Versuch der Regierung Kurz, den israelischen Boykott von FPÖ-Ministern zu durchbrechen. Dieser Boykott ist aber taktisch – und zwar aus folgenden Gründen:

· Erstens Vor der Regierungsbeteiligung von Freiheitlichen gab es nämlich einen regen Kontakt zu Politikern von Netanjahus Likud-Partei. Das begann am 19. 12. 2010, als eine Delegation rechtsextremer europäischer Politiker, der auch Heinz-Christian Strache angehörte, Israel besuchte. Dort wurde vom Likud zu einer Konferenz über den "War on Terror" geladen. Ein Solidaritätsbesuch bei Siedlern in der Westbank durfte nicht fehlen, ebenso wenig wie eine Besichtigung der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem.

Bei der Auswahl von Partnern für den Kampf gegen die Palästinenser und gegen "den" politischen Islam war man auch in der Folge nicht wählerisch. Die antisemitischen Flecken in der Vergangenheit (aber auch Gegenwart) wurden geflissentlich übersehen. Beispielhaft ist die Freundschaft zwischen Strache und dem Likud-Abgeordneten Yehuda Glick, der den frommen Wunsch hegt, die heiligsten Stätten des Islam in Jerusalem zu beseitigen und durch einen erneuerten jüdischen Tempel zu ersetzen. Das Heraufbeschwören einer Apkalypse.

· Zweitens Auf der gleichen Linie liegen zahlreiche weitere Romanzen mit Rechtspopulisten. Obwohl etwa Ungarns Viktor Orbán den Regenten Miklós Horthy, der ein Verbündeter Hitlers war, anpries und eine Kampagne mit antisemitischen Untertönen gegen den jüdischen Finanzier George Soros führte – und obwohl die jüdische Gemeinde in Ungarn davor warnte, besuchte Netanjahu Budapest im Juli 2017 (der Gegenbesuch fand 2018 statt); nicht genug damit, beteiligte sich "Bibi" am Soros-Bashing, indem er ihm unter anderem die Unterstützung von oppositionellen israelischen Friedenskräften vorwarf.

Auf der gleichen Linie liegt die Annäherung an das gegenwärtige Polen, das die Behauptung der Beteiligung von Landsleuten am Holocaust unter Strafe stellt. Rafi Eitan, ein früherer Minister und Mossad-Chef, ließ sich im Februar 2018 von der AfD einladen und pries diese Partei. Als Klammer dienen natürlich die Unterstützung Israels und die gemeinsame Abwehrhaltung gegenüber "dem" Islam. Es ließen sich leider noch viele andere Beispiele anführen, wie die Annäherung an Litauen, das Nazi-Kollaborateure duldet, oder die Einladung des philippinischen Hitler-Bewunderers Rodrigo Duterte (Februar 2018 in Jerusalem und Yad Vashem), die Zuneigung zum brasilianischen Protofaschisten Jair Bolsonaro und natürlich die Identifikation mit Donald Trump selbst, der in keinem Land so populär ist wie in Israel – ganz im Gegensatz zur Haltung der meisten amerikanischen Juden.

· Drittens Ein tieferer Grund der Affinität zwischen Israel und Rechtspopulisten besteht im Ethnozentrismus. Das im Juli 2018 verabschiedete Nationalstaatsgesetz definiert Israel de jure als Ethnokratie. Nur dem "jüdischen Volk" kommt politische Souveränität zu; Millionen Araber im Lande müssen sich damit abfinden. Das liegt auf der Linie von Ethnopopulisten in Europa und den USA. So bezeichnet sich etwa der bekannte "White Supremacist" Richard Spencer, der den Wahlsieg seines Idols mit den Worten "Heil Trump!" feierte, als "White Zionist".

"Boykott" ist ein Druckmittel

Der "Boykott" ist ein Druckmittel, das Österreich zu noch weiteren Schritten "zugunsten" Israels bewegen soll. Bei Kurz' Besuch in Jerusalem im Juni 2018 wurde mehr "Verständnis" für die schwierige Lage Israels – die ja weitgehend selbstverschuldet ist – angeboten. Kurz ist demonstrativ nicht mit Vertretern der Palästinenser zusammengetroffen. Auch die Verlegung österreichischer diplomatischer Institutionen nach Jerusalem soll erörtert worden sein. Ebenso dürfte das Abstimmungsverhalten in der Uno beziehungsweise der EU Thema gewesen sein. Kurz strebt zunächst nur die Aufhebung des israelischen Boykotts von Außenministerin Karin Kneissl an.

Aber mit dem Kampf gegen Antisemitismus oder für die Interessen der jüdischen Gemeinden in Europa muss das nichts zu tun haben. (John Bunzl, 20.11.2018)