Als ich meinen Kollegen Erich Nau vor ein paar Jahren frage, warum es ihn beruflich nach Norwegen zieht, meint er nur: "Ich will ein Wikingerschiff finden." Ein ambitioniertes Unternehmen, denke ich, bei den wenigen bisher bekannten norwegischen Exemplaren dieser über 1.000 Jahre alten hölzernen Fundgattung. Dementsprechend nehme ich seine Antwort nicht besonders ernst und tue sie lachend ab.

Als ich ziemlich genau sechs Jahre danach einen Anruf über Skype bekomme, lache ich nicht mehr. Kollege Nau am anderen Ende schickt mir ohne viel Erklärung Georadardaten, die ich mir ansehen soll. Es dauert nur einen Moment, dann ist relativ klar, was ich da vor mir habe: die Reste eines Grabhügels und mittendrin ein schiffsförmiges Objekt von 20 Metern Länge. Und am Bildschirm den selbstzufrieden vor sich hingrinsenden Erich. Fünf Monate später, am 15. Oktober, geht dann die Geschichte der Entdeckung eines weiteren Wikingerschiffs in Norwegen um die ganze Welt. Um zu erfahren, wie genau es dazu kam, habe ich Erich in Oslo getroffen, der mir alles erzählte. Hier ist seine Geschichte.

Der Jellhaugen

Folgt man der E18 am Ostufer des Oslofjords in Richtung der norwegischen Hauptstadt Oslo, dann kann man nur wenige Kilometer nach der schwedischen Grenze vom Auto aus einen imposanten Grabhügel bewundern: den Jellhaugen, gelegen in Gjellestad in der Fylke Østfold und mit rund 80 Metern Durchmesser und einer Höhe von circa zehn Metern einer der größten eisenzeitlichen Grabhügel Skandinaviens. In den 1960er-Jahren wurde der Jellhaugen erstmals mittels eines engen radialen Schnitts archäologisch untersucht, wobei man auf die Reste eines Brandgrabes stieß. Nennenswerte Funde wurden dabei – bis auf eine halbe Bernsteinperle – allerdings nicht gemacht.

Die Fundstelle Gjellestad liegt an der Ostküste des Oslofjords in Südnorwegen.
Foto: NIKU
Ausgrabungen am Jellhaugen in den 1960er-Jahren.
Foto: Kulturhistorisk museum, UiO (CC4.0) https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/deed.en

Der geplante Bau einer Wasserleitung in unmittelbarer Nähe des Jellhaugens machte in den letzten beiden Jahren neuerliche archäologische Untersuchungen durch Archäologen der Østfold fylkeskommune notwendig, die zahlreiche Oberflächenfunde und die Reste weiterer Grabhügel ans Licht brachten. Diese neuen Ergebnisse bildeten den Ausgangspunkt für den Einsatz großflächiger, zerstörungsfreier Georadaruntersuchungen rund um den Jellhaugen, durchgeführt vom Norsk Institutt for kulturminneforskning (Niku), an dem ich seit 2015 als Spezialist für motorisierte geophysikalische Prospektion beschäftigt bin.

Die Messungen

Die ersten Messungen wurden von mir und meinem Kollegen Lars Gustavsen bereits im April dieses Jahres durchgeführt, allerdings waren die Bedingungen alles andere als gut. Ein kalter und schneereicher Winter in Norwegen und die darauffolgende Schneeschmelze hatten den Boden stark durchfeuchtet und weich gemacht – zu weich, wie sich herausstellen sollte. Erst blieb das tonnenschwere Bodenradargerät stecken, kurze Zeit später auch der zum Abschleppen geholte Landcruiser. Glücklicherweise konnte der zu Hilfe gerufene Grundbesitzer uns aus unserer misslichen Lage befreien. Aus Fehlern lernt man gewöhnlich – oder auch nicht. Nach der zweiten und völlig gleich ablaufenden Sequenz aus wissenschaftlichem Übereifer, gefolgt von später Einsicht und Reue und einem bereits etwas entnervten Grundbesitzer, mussten Lars und ich vorläufig aufgeben.

Ein steckengebliebenes Bodenradarsystem ist meist nur mit größerem Aufwand wieder freizubekommen.
Foto: erich nau

Trotz der Hindernisse konnte bei der Messung etwa ein Viertel der Fläche, wenn auch lückenhaft, mit dem Georadar untersucht werden. Erste Datenprozessierungen auf dem Rückweg an Bord der Fähre über den Oslofjord zeigten mehrere große Grabhügel – und eine nur zur Hälfte gemessene, schiffsförmige Struktur. Überraschung und Freude bei mir und Lars waren groß, aber gedämpft. Die Unvollständigkeit der Daten ließ noch keine sichere Interpretation zu, und so musste auch die Pressemeldung zum Sensationsfund noch einige Monate warten, denn an eine erneute, vollständige Messung war erst nach der Ernte gegen Ende August zu denken.

Die Messbedingungen im August waren wesentlich besser, im Hintergrund der Jellhaugen.
Foto: erich nau

Der sehr trockene Sommer in weiten Teilen Skandinaviens führte dann auch zu optimalen Messbedingungen, und die gesamte Fläche mit circa vier Hektar konnte am 21. August innerhalb eines Tages gemessen werden. Die neuen Daten wurden in enger Zusammenarbeit mit Experten des Ludwig-Boltzmann-Instituts für Archäologische Prospektion und Virtuelle Archäologie in Wien prozessiert und ausgewertet und bestätigten die Interpretation der Messungen vom April: In Gjellestad befindet sich ein Schiffsgrab. Es ist die erste Entdeckung eines solchen Monuments seit über einem Jahrhundert. Die Norweger, für die die wikingerzeitlichen Schiffe nationale Symbole sind, freuten sich, und die Welt freute sich mit. Ich verfolgte die sich stetig ausbreitende Pressemeldung. Als gegen 13 Uhr sogar in Katar darüber berichtet wurde, war ich sicher: Das geht um die ganze Welt.

Animation der Georadardaten des Schiffsgrabs, es wird ein Tiefenbereich von 30 bis 140 Zentimetern unter der heutigen Oberfläche visualisiert. (Animation: Niku, LBI ArchPro)
NIKU Norway

Das Gjellestad-Schiff

Die Analyse der Georadardaten zeigte direkt unter der Ackerschicht in etwa 30 Zentimetern Tiefe eine sehr deutliche, 20 Meter lange und 6,5 Meter breite spitzovale Struktur inmitten der kreisförmigen Reste eines ehemaligen Grabhügels. Bei dieser Struktur dürfte es sich um die Grube handeln, in der das Schiff für die Bestattung platziert wurde, ähnlich wie im Fall des Oseberg-Schiffs.

In etwa einem Meter Tiefe zeigte sich dann eine deutliche Veränderung der geophysikalischen Eigenschaften des Untergrundes – es ist nun eine stark reflektierende, etwa 16 Meter lange und 1,5 Meter breite Anomalie erkennbar, die ich vorläufig als die noch erhaltenen Holzreste des Schiffes interpretiere. Wie gut das Schiff tatsächlich erhalten ist, ist nicht ganz sicher. Das liegt an den Unterschieden in den beiden Datensätzen, die bei feuchten und trockenen Bedingungen gemessen wurden. Die Daten vom April deuten an, dass Holzreste eines Schiffes ähnlich dem Tune-Schiff erhalten sind, während die Daten vom August eher mit dem Schiffsgrab von Sutton Hoo verglichen werden können, bei dem nur noch die Abdrücke eines Schiffes und die metallenen Bootsnägel erhalten waren.

Visualisierung der Georadardaten im Tiefenbereich von 30 bis 60 Zentimeter mit den wichtigsten Ergebnissen.
Foto: NIKU, LBI ArchPro

Weitere Entdeckungen

Auch abzüglich des Schiffsgrabs sind die Daten aus Gjellestad außerordentlich bemerkenswert und besitzen eine sehr hohe Funddichte. Die Analyse der Georadardaten hat zwölf weitere Grabhügel hervorgebracht, zwei davon mit einem Durchmesser von über 30 Metern. Auch mindestens vier Langhäuser mit bis zu 40 Meter Länge haben sich erhalten und werden momentan als wikingerzeitliche Hallen angesprochen. Zusammen mit den erwähnten Oberflächenfunden und früheren Grabungsergebnissen datiert die Fundstelle ins 6. bis 10. Jahrhundert, also in die späte nordischen Eisenzeit und die Wikingerzeit. Ein ähnliches Ensemble aus monumentalen Grabhügeln und Hallenbauten ist aus Norwegen nur von einer weiteren Fundstelle, nämlich Borre auf der anderen Seite des Oslofjords, bekannt.

In der Tiefe von 50 bis 90 Zentimetern sind die einzelnen Pfostenlöcher der Hallenbauten besonders gut erkennbar.
Foto: NIKU, LBI ArchPro

Zwischenzeitlich hat sich die erste Aufregung hier bei uns gelegt, und der Fokus richtet sich auf die nächsten Schritte. Weitere zerstörungsfreie Untersuchungen mit komplementären geophysikalischen Methoden sollen im Lauf des nächsten Jahres weitere Details über das Schiffsgrab preisgeben. Die wichtigste Frage hierbei ist wohl, ob und wie viel von der hölzernen Schiffskonstruktion tatsächlich noch erhalten ist und wie man etwaige Eingriffe in den Boden, also archäologische Ausgrabungen anlegen sollte. Nach mittlerweile einigen hundert Hektar, die wir mit dem Bodenradar in Norwegen untersucht haben, stellt dieser Fund sicher den bisherigen Höhepunkt meiner archäologischen Tätigkeit dar, und es ist schwer vorstellbar, welche Entdeckung das noch überbieten könnte. Ein weiteres Wikingerschiff vielleicht? Es gibt jedenfalls noch riesige nicht untersuchte Flächen. (Erich Nau, Petra Schneidhofer, 22.11.2018)