Wird man im Verlauf eines Kartenspiels beim Schummeln erwischt, so erlauben die Umgangsformen der Zivilisation ein gewisses Spektrum an Reaktionen, das von tief beschämter Selbstbezichtigung über formlose Entschuldigung bis zu einem nonchalanten "Es ist ja nur ein Spiel" reicht. Als eher außerzivilisatorisch gilt es, wutentbrannt den Spieltisch umzuwerfen und die betrogenen Mitspieler wegen ihrer Spielregelhörigkeit zu beschimpfen. Zeuge eines derartigen Verhaltens wurde unlängst der österreichische Botschafter in Moskau. Dieser wurde, nachdem man einen russischen Spion in Österreich öffentlich enttarnt hatte, vom russischen Außenministerium einbestellt und bekam dort eine Belehrung, "welcher Methoden man sich bedient, wenn man Fragen an Russland hat".

Ob dabei auch das Schreiben einer STANDARD-Kolumne als Methode genannt wurde, entzieht sich meiner Kenntnis. Ich will es aber trotzdem versuchen, denn ich habe – außer einem spontan vorgebrachten "Geht's euch noch irgendwie?" – noch weitere Fragen an Russland. Müsste über die Spionage-Enthüllung nicht eigentlich wer anderer viel gekränkter sein, nämlich die der Putin-Partei Einiges Russland per Freundschaftsvertrag verbundene FPÖ?

Spott und Hohn

Schon beim Abschluss der Vereinbarung vor zwei Jahren wurden die Freiheitlichen mit Spott und Hohn übergossen. "Voll daneben!" oder "außenpolitische Geisterfahrt!", tönte es dazu aus der ÖVP, und sogar die nicht unbedingt radikal FPÖ-kritische "Kronen Zeitung" schrieb: "Für die mit enormen finanziellen und technischen Ressourcen ausgestatteten Strippenzieher in Putins Reich sind die europäischen Naivlinge auf dem russischen Parkett ein willkommenes Geschenk. Möglicherweise hat Towarisch Strache den Vertrag nicht genau verstanden." Als auch noch bekannt wurde, dass Strache vor Ort von Putins Parteigenossen mit Norbert Hofer verwechselt worden war, schien es endgültig klar: Von einer Vereinbarung auf Augenhöhe könne hier nur die Rede sein, wenn man beim russischen Vertragspartner Hühneraugen vermutet.

Doch wurde dabei möglicherweise ein wichtiger Punkt übersehen? Strache und Hofer waren ja nicht allein in Moskau, sondern in Begleitung von Harald Vilimsky und Johann Gudenus. Vielleicht haben diese beiden – zumindest unterschwellig – Einfluss auf die Russen gewonnen? Indiz dafür ist die haarsträubende Dreistigkeit der Lügen-Schmierenkomödie, mit der Putin und sein Militärgeheimdienst GRU die Identität der Skripal-Attentäter Anatolij Tschepiga und Alexander Mischkin – beide sind hochrangige GRU-Offiziere – zu verschleiern versuchten. Das erinnert fatal an die Gudenus'sche Lehrlingsverleumdung. Andere jüngst enthüllte GRU-Debakel (tölpelhaft gescheiterte Spionageangriffe auf Anti-Doping-Behörden, die Organisation für das Verbot chemischer Waffen, die malaysische Staatsanwaltschaft u. v. a.) tragen wiederum die intellektuelle Handschrift des Taser-Selbstbeschießers Vilimsky.

Deshalb meine Fragen an Russland: Sollte künftig beim Rekrutieren von "Moskaus nützlichen Idioten" der Begriff "nützlich" strenger hinterfragt werden? Wedelt hier der Schwanz mit dem Hund? Oder vielleicht gar das Trümmerl? (Florian Scheuba, 21.11.2018)