Ivica Todorić verlässt mit gepackter Tasche das Gefängnis.

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Am Mittwoch entschied ein Gericht in Zagreb, dass der frühere Chef von Agrokor, Ivica Todorić, aus der U-Haft entlassen werden kann. Freunde von Todorić hatten zuvor eine Million Euro Kaution bezahlt. Todorić selbst konnte das Geld nicht aufbringen. Der Verdächtige darf die Stadt Zagreb nicht verlassen, kündigte aber an, in die Politik zu gehen und bei den nächsten Wahlen zu kandidieren. "Ich werde die Macht erringen und Kroatien in die richtige Richtung führen", sagte er zu lokalen Medien.

Der ehemals Unantastbare wird trotzdem immer wieder vor Gericht erscheinen müssen. Todorić wurde am 7. November von London nach Kroatien ausgeliefert und saß seitdem in Untersuchungshaft. Der Gründer des Lebensmittelkonzerns Agrokor war im Vorjahr nach Großbritannien gezogen – seit Oktober 2017 wurde gegen ihn ermittelt. Er wird des Betrugs und der Bilanzfälschung verdächtigt. Der Konzern hatte unter seiner Führung zuletzt Schulden im Wert von sieben Milliarden Euro angehäuft – was etwa 15 Prozent der kroatischen Wirtschaftsleistung entspricht.

Lex Agrokor

Anfang 2017 wurde Agrokor dann unter staatliche Verwaltung gebracht, um die Pleite zu verhindern – die konservativ orientierte Regierung in Zagreb hatte dazu ein eigenes Gesetz, die "Lex Agrokor", geschaffen. Es geht schließlich um 50.000 Jobs in der Region – nicht nur in Kroatien, sondern auch in Bosnien-Herzegowina und Serbien. Zahlreiche Gläubiger haben sich im Juni auf einen Vergleich geeinigt. Dabei ging es um 3,7 Milliarden Euro Schulden.

Der größte Gläubiger mit 39,2 Prozent der Anteile ist die staatliche russische Sberbank, die über diese Anteile auch politischen Einfluss in Kroatien gewonnen hat. Verschiedene Pfandbriefinhaber verfügen über 25 Prozent der Anteile, die russische VTB-Bank über 7,5 Prozent. Die Unicredit-Tochter Zagrebačka banka hält 2,3 Prozent. Für die Refinanzierung des Konzerns wurde ein weiteres Darlehen über mehr als eine Milliarde Euro aufgenommen. Für den Gläubigervergleich haben auch österreichische Banken auf viel Geld verzichtet – Insider schätzen den Betrag auf 500 Millionen Euro –, unter anderem deshalb, weil die Gefahr ansonsten groß gewesen wäre, dass sie aufgrund einer totalen Pleite des Konzerns noch mehr Geld verlieren.

"Eine große Herausforderung"

Zu den Verlusten wollen die österreichischen Banken nichts sagen. Die Raiffeisen Bank International erklärt, dass man "laufende Verfahren nicht kommentiert". Die Unicredit ebenso. Die Sprecherin der Erste Group Bank, Carmen Staicu, dazu: "Der einzige Kommentar, den wir Ihnen geben können, ist, dass die Situation, in der sich Agrokor befand, und der Umstrukturierungsprozess definitiv eine große Herausforderung waren, die den Geschäftsbetrieb und in gewissem Maße die Entwicklung des Bankensektors im Jahr 2017 beeinträchtigte. Zurzeit ist das für uns aber kein Thema." Die Erste Bank Kroatien habe von Anfang an eine aktive Rolle übernommen, um die Umstrukturierung angemessen zu unterstützen und die Geschäftskontinuität der Gruppe sicherzustellen. "Aus diesem Grund sehen wir die Tatsache, dass der Vergleich mit einer Mehrheit der Stimmen der Gläubiger erreicht wird, sehr positiv."

Lebensmittelproduktion steht infrage

Unklar ist aber weiterhin, was mit all den Zulieferern der Kette passieren wird. Denn möglicherweise werden die neuen Teilhaber nicht mehr so großes Interesse an der Lebensmittelproduktion haben. Der Agrokor-Konzern unterhält ein weit verzweigtes Netzwerk mit 55 Firmen und vielen lokalen Lebensmittelzulieferern, die davon abhängen. Unklar ist auch, ob der Konzern als Ganzes verkauft oder in Teile zerstückelt wird. In Serbien werden bereits zwei Unternehmen des Konzerns zum Verkauf angeboten. (Adelheid Wölfl, 21.11.2018)