Der feindselige Umgang mit Migranten und Flüchtlingen, die ungerechte Verteilung von Reichtum oder die Zerstörung unserer Umwelt: Obwohl man diesen Problemen mit gesetzlichen Regelungen und Abkommen bekommen will, liegt ein wesentlicher Grundstein der Lösung in den Entscheidungen jedes Einzelnen, seiner Bereitschaft zur Kooperation und dem Verzicht zugunsten Anderer. Ob jemand zu solchem "prosozialen Verhalten" bereit ist, ist nicht alleine Charaktersache und damit auch nicht unveränderlich: Deutsche Forscher haben eine Studie veröffentlicht, die über viele Monate hinweg den Einfluss verschiedener Trainings auf prosoziales Verhalten untersucht hat.

Das Ergebnis: "Wir konnten zeigen, dass die menschliche Prosozialität formbar ist und dass verschiedene Facetten der Prosozialität durch verschiedene Arten mentaler Trainings systematisch erhöht werden können", erklärt Anne Böckler-Raettig von der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU). Der Aufwand dafür sei nicht sehr groß; das Training bestehe im Wesentlichen aus kurzen täglichen Praktiken, die leicht im Alltag umgesetzt werden könnten. Die Resultate dieser Studie haben die Wissenschafter jetzt im Fachmagazin "Scientific Reports" veröffentlicht.

Vermeintlich unveränderliches Merkmal

"Die menschliche Prosozialität ist das Herzstück friedlicher Gesellschaften und der Schlüssel zur Bewältigung globaler Herausforderungen", erklärt Böckler-Raettig. "Prosozial" definiert die Wissenschaft als Verhalten, das für den Einzelnen kostspielig ist, das aber anderen entweder individuell oder als Gruppe Vorteile bringt. Viele Disziplinen forschen an den Grundlagen von Kooperation und Altruismus. Dennoch sei überraschend wenig darüber bekannt, ob und wie die Motivation, altruistisch zu handeln trainiert werden kann, meinen die Forscher. Als Grund dafür vermutet sie die Tatsache, dass klassische Modelle der Wirtschaftswissenschaften Prosozialität oft als stabile Präferenz betrachten und deren Veränderbarkeit lange Zeit keine Rolle in der Wissenschaft spielte.

Diese Annahme konnte das Team um Böckler-Raettig nun widerlegen. Über neun Monate hinweg haben dafür die Teilnehmer dieser Studie an verschiedenen Formen meditations-basierter mentaler Trainings teilgenommen. In einem Modul ging es darum, die Aufmerksamkeit und das Körperbewusstsein zu schärfen – ähnlich wie das in derzeit populären Programmen zum Achtsamkeits-basierten Stressabbau geübt wird. In einem zweiten Modul standen sozioaffektive Fähigkeiten wie Mitgefühl, Dankbarkeit und prosoziale Motivation im Mittelpunkt. Der flexible Blick auf sich selbst und auf andere sowie die Fähigkeit, Perspektivwechsel zu unternehmen, bildeten den Schwerpunkt im dritten Modul.

Affektmodul mit Einfluss auf Motivation

"Für uns war die Frage von besonderem Interesse, welches mentale Training sich als effektiv erweisen würde, um altruistisch motiviertes Verhalten zu verstärken, also Verhalten, welches sich unmittelbar auf das Wohlergehen des Anderen richtet", erklärt Anne Böckler-Raettig. Darauf gaben die Ergebnisse der Studie eine eindeutige Antwort: Einzig das zweite Modul – das sogenannte Affektmodul – war dazu in der Lage, einen direkten Einfluss auf die Motivation der Teilnehmer auszuüben, altruistischen Verhaltensweisen nachzugehen. Diese verhielten sich nach den Trainingseinheiten beispielsweise großzügiger, waren zu mehr spontaner Hilfe bereit und spendeten höhere Beiträge an gemeinnützige Organisationen.

"Das Affektmodul, das aus drei Einführungstagen, wöchentlichen Treffen mit Meditationslehrern und etwa 30 Minuten täglicher Praxis über einen Zeitraum von drei Monaten besteht, hat das altruistisch motivierte Verhalten effektiv gefördert, unabhängig davon, wie diese Übungen mit anderen Praktiken kombiniert wurden", sagt die Psychologin. Ein vergleichbarer Erfolg sei bei den anderen beiden Modulen nicht nachweisbar gewesen. (red, 22.11.20018)