"Kleines Buch mit großen Ambitionen": Viviano im Bristol mit Blick auf die große Oper.


Foto: Salvatore Viviano

Nein, Salvatore Viviano ist kein Künstlername. Der Name ist so echt wie sein Träger. Dieser kommt aus Sizilien, liebt – wie alle Italiener – seine Großmutter, die schon verstorben ist, aber immer noch schützend ihre Hand über ihn hält. Ob und wie viel sie damit zu tun hat, dass ihr Enkel Salvatore Viviano gerade in einem weißen Bademantel und barfuß auf einem Empire-Sessel in der Luxussuite #375 des Wiener Hotel Bristol sitzt, um einer kleinen, feinen Runde vorzulesen, ist nicht überliefert. Der ganze Rest oder zumindest vieles davon schon: in ebenjenem kleinen, feinen Buch The OWG Diary, das da auf dem flauschigen Schoß von Viviano liegt und gerade frisch im Harpune-Verlag erschienen ist. Cheers, darling! Es gibt Gin Tonic.

"Diary" ist klar, also Tagebuch, aber "OWG"? Klingt wie "OMG!!!" – für die weniger aufgeregten und Social-Media-Abstinenten unter uns – Oh My God! (zu Deutsch: Oh mein Gott! – aber nicht religiös misszuverstehen, sondern im Sinn von Wow! Wahnsinn! Großartig!) Und so soll es auch klingen, denn OWG steht für the one and only One Work Gallery, die Viviano am 16. Mai 2014 am Wiener Getreidemarkt aufgesperrt und bis in den Dezember 2017 glamourös bespielt hat – das nur für all jene, die sich ausdrücklich nicht für zeitgenössische Kunst interessieren, denn alle anderen, die kennen die One Work Gallery – und Salvatore Viviano sowieso.

"Ein kleines Buch mit großen Ambitionen" nennt Viviano sein OWG Diary (in englischer Sprache), und die "Queen of Selfmarketing" (Eigendefinition) nimmt uns, ganz Social-Skills-Profi, an der Hand und führt uns durch einen Teil der Wiener (wir fangen hier mit Namedropping erst gar nicht an!) Kunstszene, aber nicht nur das. Er nimmt uns mit in sein Doppelbett, das anstatt eines Schreibtisches im hinteren Teil das Office seiner nur zwölf Quadratmeter kleinen Galerie war, in der er in über 50 Shows jeweils nur ein Kunstwerk eines Künstlers, einer Künstlerin ausgestellt hat. Viviano nimmt uns weiter an der Hand, führt uns bis nach Paris, wo er Jahre seines Lebens als TV-Moderator gelebt hat, nach London oder München (#Boring!), auch in die große Politik (US-Wahl, #MeToo, Bundespräsidentenwahl in Österreich, Sebastian Kurz in engen Bluejeans etc.), in seine Träume (Sex mit Klaus Biesenbach?!) oder in seine Vergangenheit. Seine Tagebuch-Ausflüge dorthin beantworten auch, warum einer wie Salvatore Viviano, der es in Lichtgeschwindigkeit geschafft hat, Wien ein bisschen bunter, glamouröser und internationaler zu machen, überhaupt hier gelandet ist.

Lesen Sie es nach. Am besten im Bett, vielleicht mit einem Gin Tonic. Irgendwann, kurz nach der Mitte dieses Büchleins, stoßen Sie auf die Stelle, in der Viviano die französische Comtesse Marie-Victoire Sophie de Noailles zitiert, die wiederum die zukünftige Königin Marie Antoinette, die gerade von Österreich nach Frankreich gezogen ist, willkommen heißt: "This, Madame, is Versailles!" Viviano in seinem weißen Bristol-Bademantel hat den umgekehrten Weg genommen – von Paris nach Wien. Und er flüstert uns leise ins Ohr: "This, Madame, is Vienna!" (Mia Eidlhuber, 23.11.2018)