Singt über Flamenca, die in einem katalanischen Turm schmachten muss: Popstar Rosalía.

Foto: Sony Music

Dass die Charts durch polierte Fadesse glänzen, fällt sogar den verantwortlichen Songwritern und Produzenten auf. Reform unerwünscht, denn es funktioniert ja. Ab und zu muss das Immerselbe aber doch mit ein, zwei neuen Sounds aufgepeppt werden.

So schweifen die Ohren der Hitmacher gern über die Grenzen des Mainstreamkompatiblen hinaus, die nur zu oft Länder- oder Sprachgrenzen sind. Instrumente wie die Sitar, Marimba oder die gute, alte Panflöte, ganze Genres wie Reggaeton finden für ein paar Monate Eingang in die Hits, bis alle an schwerer Despacitose leiden. Dann muss was Neues her. Unter dem Label "Global Pop" verkauft sich die glatt aufbereitete vermeintliche Exotik richtig gut. Gleichzeitig eröffnet das dadurch gesteigerte Interesse an diverseren Sounds auch Chancen für Vertreter anderer musikalischer Traditionen. Im besten Fall werden sie nicht nur schnell versampelt oder dürfen mal für ein Feature ran, sondern gelangen als eigenständige Autoren zu Reichweite.

Junge Mutter Gottes in Sneakers

Der Hype um alles, was einem gerade auf Spanisch entgegenkommt, schadet spannenden Künstlerinnen wie Rosalía Vila Tobella nicht.

Video zu Rosalías "Malamente".
ROSALÍA

Die 25-jährige, unweit von Barcelona geborene Sängerin, eine Art junge Mutter Gottes in Sneakers, experimentiert mit Flamenco. In Spanien bereits Idol der Millennials, war sie auch bei den Latin Grammy Awards, die kürzlich über die Bühne gingen, für ihren Song Malamente fünfmal nominiert, gewann zweimal.

Er eröffnet ihr gerade erschienenes zweites Album El Mal Querer, das sich in elf Kapiteln lose an einem mittelalterlichen Manuskript orientiert. Die Geschichte handelt von Flamenca, die von ihrem eifersüchtigen Ehemann in einen Turm gesperrt wird. Globaler Klassiker.

Melismatischer Gesang

Man muss aber weder das wissen noch des Spanischen mächtig sein, um zu schnallen, worum es geht. Dunkle Leidenschaft, böses Verlangen und alles Verführerische, was einem so gar nicht guttut. Grundelemente des Flamencos treffen auf cineastisches Sounddesign, melismatischer Gesang wandert in den Vocoder und die Guitarra flamenca geloopt in den Filter. Auf De aquí no sales werden alle Geräusche, die ein Motorrad so machen kann, kurzerhand zum Beat.

Rosalía live.
MTV International

Rosalía seziert Flamenco, setzt seine Elemente neu zusammen. Dabei wird sie im Laufe des Konzeptalbums immer experimenteller. Beim letzten Song, A Ningún Hombre, ist man schon sehr nah bei dem, was Soundkünstler wie Arca oder FKA Twigs zusammenbrauen. Die epische Inszenierung ihrer Künstlerpersona und die symbolgespickten Videos runden das Bild der Popgöttin ab. 2019 wird Rosalía in Pedro Almodóvars neuem Film mitspielen. Sein Titel: Dolor y Gloria, Schmerz und Herrlichkeit. Besser kann man auch das Album El Mal Querer nicht beschreiben. (Amira Ben Saoud, 23.11.2018)