Meg Stuart und Tim Etchells treten auf, als kämen sie nur kurz vorbei. Und tragen dann die Zuseher in eine andere Welt hinweg.

Foto: Tine Declerck

Sie tanzt mit einer so überragenden Körperbeherrschung, dass die kompliziertesten Bewegungskombinationen mit der Selbstverständlichkeit von ganz normalem Kommunikationsverhalten daherkommen. Und er lässt seine Worte vom Stapel, als gehörten die abgefahrensten Gedankenketten zum alltäglichen Sprachgebrauch. Dabei schafft er es, ohne Mikro im ungekünstelten Tonfall einer Gebrauchskonversation zu sprechen, der im ganzen Theaterraum verständlich ist.

Understatement und Meisterschaft paaren sich bei dem Stück "Shown and Told" von und mit Meg Stuart und Tim Etchells, das nur noch bis heute, Samstag, im Tanzquartier Wien zu sehen ist. Die beiden Künstler treten auf, als kämen sie nur kurz einmal vorbei und müssten gleich wieder zur Arbeit in ein Beisl, in dem sie Bier und kleine Speisen servieren. In Jeans und Turnschuhen, er im hellblauen T-Shirt, sie im weiten, gelb-braun-schwarz gescheckten Oberteil, alles Marke Sonderangebot.

Aufmischerin und Überzeugungskraft

Auftrumpfen müssen sie ja nicht. Weder Stuart (51), die mit nur 27 Jahren den damals zeitgenössischen Tanz so nachhaltig aufgemischt hat, dass er nie mehr so wurde, wie er vorher war. Noch Etchells (56), der in den 1990-ern mit seiner Sheffielder Gruppe Forced Entertainment eine so überzeugend frische Art der Performance entwickelte, dass britisches Theater auf einmal ganz Europa begeisterte. Dabei ist es ihnen gelungen, über die Jahre eine Leichtigkeit, Verve und Überzeugungskraft zu entwickeln, die weit über das meiste hinausreichen, was derzeit durch die Häuser der zeitgenössischen Choreografie hechelt.

Stimmen wie ein Wind

In "Shown and Told" treten die beiden gleichzeitig ins Rampenlicht. Stuart beginnt sofort zu tanzen, Etchells hält Abstand zu ihr, schaut sie an, liest ihre Bewegungen und beginnt zu sprechen: "Es ist wie der Klang von Stimmen aus einem anderen Raum, wie ein Geräusch, das von einem obenliegenden Raum kommt und sich nicht wirklich wie Stimmen anhört, sondern mehr wie ein Wind, der durch einen Gang weht..." Und schon sind die Zuschauer fortgetragen in eine andere Welt, in eine Zone der Assoziationen und Bilder, die durch den Tanz ausgelöst werden.

Verzwickte Gefühle

Bei dieser Rollenverteilung – Meister der Worte und Meisterin der Körpersprache – bleibt es nicht. Auch Stuart springt in die Sprache: "Ich tanze, um Fragen zu stellen und weil ich zuviel Energie habe, weil ich so das Sterben üben und den ganzen Tag Liebe mit dem Boden machen kann..." In diesem Sinn werden Situationen, Skizzen und Szenen durchgespielt, verzwickte Gefühle beschworen und imaginäre Städte gebaut. Durchwegs mit ironischer Grandezza, in die sich manchmal Spott und Ärger über die Welt draußen mischen.

"Bist du da?"

Kunstvolle Loops steigern immer wieder die Spannung, absurde Brüche sorgen für Heiterkeit. Einmal schaut er sie an und fragt: "Bist du da?" Sie, verwundert: "Ist das eine ernste oder eine philosophische Frage?" Er: "Eher eine politische." Ja genau, es gibt noch eine politische Ebene in der Performance, die sich nicht als aktivistischer Bauchladen andient. Aus gutem Grund war das Publikum in der voll besetzten TQW-Halle G begeistert. (Helmut Ploebst, 24.11.2018)