Paris – Bei erneuten Massenprotesten gegen die Steuerpolitik Staatschef Emmanuel Macrons ist es in Frankreich am Samstag wieder zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Polizei gekommen. Auf den Pariser Champs-Élysées setzte die Polizei Tränengas gegen Steinewerfer ein. Mit landesweit 81.000 Demonstranten fiel die Beteiligung an den Protesten deutlich geringer aus als vor einer Woche.

Am vergangenen Wochenende hatte die Protestbewegung knapp 300.000 Menschen auf die Straßen gebracht. Nach den schweren Straßenblockaden und Zwischenfällen in der vergangenen Woche waren allein in Paris 3.000 Polizisten wegen der Proteste im Einsatz.

Sperrzone Champs Elysees

Immer wieder lieferten sie sich Auseinandersetzungen mit in gelbe Warnwesten gekleideten Demonstranten, als diese versuchten, in die Sperrzone am unteren Ende des Prachtboulevards Champs-Élysées mit dem Concorde-Platz, der Nationalversammlung und dem nahe gelegenen Élyséepalast vorzudringen.

Am Samstagabend brannten auf der Avenue des Champs-Élysées Barrikaden.
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Einige Demonstranten rissen Steine aus dem Pflaster und errichteten Barrikaden gegen die Polizei. Die Feuerwehr musste mehrere brennende Barrikaden löschen. Bis zum frühen Nachmittag wurden neun Menschen festgenommen. Die Champs Elysees waren vom Tränengas der Polizei eingehüllt, auch Wasserwerfer kamen zum Einsatz. Nach offiziellen Angaben gab es acht Verletzte, darunter zwei Polizisten. 22 Menschen wurden in Gewahrsam genommen.

Dem Innenministerium zufolge demonstrierten landesweit rund 106.000 Menschen. Dabei seien über 130 Menschen entweder festgenommen oder in Polizeigewahrsam genommen worden, davon mehr als 40 in Paris.

Feuer vor dem Arc de Triomphe

Castaner machte "Mitglieder der Ultarechten" für die Angriffe auf Polizisten in Paris verantwortlich. Er warf Rechtspopulistin Marine Le Pen vor, die "Aufrührer" zu den Attacken angestachelt zu haben.

Le Pen wies die Vorwürfe zurück. Sie habe niemals zu irgendeiner Form von Gewalt aufgerufen, sagte sie im Fernsehen. Der Chef der radikalen Linken, Jean-Luc Melenchon, erklärte auf Twitter, die Regierung wolle die Tatsache verbergen, dass es sich "um eine massive Volksbewegung" handle.

Mehrere hundert Franzosen taten ihren Zorn Kund.
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Präsident Emmanuel Macron verurteilt die Ausschreitungen scharf. Er sprach von "Scham" angesichts der Gewalt auf den Straßen. Zugleich dankte er der Polizei für ihren "Mut und ihre Professionalität". Es gebe in Frankreich "keinen Platz für solche Gewalt".

Vorige Woche waren zwei Menschen bei den Protesten ums Leben gekommen, mehr als 750 Menschen, darunter 136 Polizisten, wurden verletzt. Aus Sorge vor Gewalt durch Krawallmacher – oder wegen der hohen Fahrtkosten – verzichteten nun viele Menschen auf eine Anreise nach Paris. Stattdessen protestierten sie in ihren eigenen Regionen. Dort blieben die Aktionen friedlich.

In Angers löste ein Anhänger der "Gelben Warnwesten" am Vorabend der Proteste allerdings Alarm aus: Der 45-Jährige trug am Freitag einen Sprengsatz bei sich und wollte damit erzwingen, dass Vertreter der Bewegung von Präsident Macron empfangen werden, wie Staatsanwalt Yves Gambert sagte. Nach stundenlangen Verhandlungen stellte er sich jedoch am Abend den Sicherheitskräften.

Rauchwolken über der Innenstadt.

Die Bewegung der "Gelben Warnwesten" richtete sich ursprünglich gegen hohe Spritpreise und die geplante Ökosteuer auf Diesel. Inzwischen mischt sich in den Protest jedoch auch allgemeiner Unmut über die Politik des Präsidenten.

"Ich kämpfe nicht nur gegen den Treibstoffpreis. Es geht um die Steuern, die wir zahlen", sagte die Demonstrantin Catherine Marguier im Nordwesten Frankreichs. In einer Umfrage für die Zeitung "Le Figaro" bezeichneten 77 Prozent die Proteste für "gerechtfertigt". Viele Demonstranten befürchten allerdings, dass die Pariser Bilder brennender Straßenbarrikaden und vermummter Protestler mit gelben Westen der Bewegung schaden könnten.

Unpopulärer Macron

Macron will an seinen Plänen für eine Ökosteuer auf Diesel festhalten. Doch angesichts sinkender Umfragewerte äußert er Verständnis für die Anliegen der Demonstranten. Nach Angaben aus seinem Umfeld will er am Dienstag bei der Vorstellung der lange erwarteten Energiewende-Pläne einen "Sozialpakt" präsentieren, um die Steuererhöhung auf Diesel "gerecht und demokratisch" auszugestalten

Schauspielerin Muriel Robin an der Spitze einer Demonstration gegen Gewalt.
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Unterdessen gingen in Paris und 50 weiteren Städten des Landes tausende Männer und Frauen am Samstag auf die Straße, um gegen sexuelle Gewalt zu protestieren. (red, APA, AFP, 24.11.2018)