"Mit der eigenen Unvernunft ist man immer nachsichtiger als mit der der anderen", heißt es in dem Buch "In besserer Gesellschaft. Der selbstgerechte Blick auf die anderen" der österreichischen Soziologin Laura Wiesböck. Darin spürt sie den verschiedensten Gräben und Konfliktlinien von Abwertung und Abgrenzung in unseren Gesellschaften nach – zwischen oben und unten, zwischen den Geschlechtern, zwischen ethnischen Gruppen, zwischen Lebensstil-Gemeinschaften und vielen mehr.

In einer Ära der Pluralisierung bestehen viele Lebensstile, Werte und so weiter nebeneinander, aber jeder hält seine Werte selbstverständlich für die besseren. Geht ja gar nicht anders, sonst hätte man diese Werte ja nicht. Eine Gesellschaft, die es nicht zerreißen soll, braucht zugleich das Gespräch über die Krater und Gräben hinweg. Aber damit ist das Problem ja nicht zu Ende: Ein echter Dialog setzt doch die Prämisse voraus, dass der andere auch recht haben könnte – aber das ist natürlich eine Idealvorstellung, die in der Realität eher selten vorkommen wird. (Robert Misik, 25.11.2018)