Wären es viele, könnte man sagen, die Zeit der Stille ist bald vorbei. Elektroautos müssen ab Mitte kommenden Jahres Geräusche von sich geben. In Japan wird es damit wohl lauter werden, in Norwegen oder in Peking auch. Dort ist die Zahl der E-Autos auf den Straßen schon beträchtlich. Hierzulande ist sie noch überschaubar. Sehr viel lauter wird es also mit einem Schlag kaum.

Wer den besonderen Sound von Autos genießt, wird sich freuen. Ein Porsche kann nach Porsche klingen, ein Jaguar sonor und in Moll Ankunft oder Abfahrt bekunden. Andere finden, es gäbe schon genug Lärm in der Welt. Fürs Erste haben sich jene durchgesetzt, die nicht sehen und deswegen stärker auf Hören angewiesen sind.

Ursprünglich hatten sich die Länder, die in der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa (Unece) über Standards zur Elektromobilität beraten, auf ein künstliches Motorengeräusch plus "Pausenknopf" geeinigt, um den Sound abstellen zu können. Dann kam es zu einem Unfall in Japan, bei dem ein Lkw einen blinden Menschen tötete. Der Fahrer hatte verbotenerweise den Rückfahralarm abgeklemmt. Die Verhandlungen über den "Pausenschalter" bekamen neuen Schwung, jetzt ist er "out of order". Auch Österreich vertrat diese Position.

Bild nicht mehr verfügbar.

Ein autofreier Tag ohne Lärmverschmutzung in Paris.
Foto: Reuters

Die Gesetzgeber weltweit haben reagiert – mit leichten Unterschieden. Während die künstlich erzeugten Geräusche in Europa bis zu einer Geschwindigkeit von 20 km/h Pflicht werden, liegt die Grenze in den USA bei 30 km/h. Bei schnellerer Fahrt reicht das Rollgeräusch der Reifen auf der Fahrbahn. In einem ersten Schritt müssen alle neuen Modelle – auch Brennstoffzellen- und Hybridautos – mit einem sogenannten Acoustic Vehicle Alerting System (Avas) ausgerüstet sein. Ab Mitte 2021 dürfen auch ältere Modelle nur noch mit dem System verkauft werden. Nachgerüstet werden müssen bereits im Verkehr befindliche Fahrzeuge nicht – Stand jetzt. Verlassen würde er sich nicht darauf, sagt Hugo Fastl, Professor an der Technischen Universität in München: "Man weiß nie, was aus der Politik auf einen zukommt."

Was auf die Konsumenten zukommen könnte, weiß man zumindest ungefähr. Der Klang des künstlich erzeugten Geräusches ist nicht vorgeschrieben. Klingeltonähnliche Spielereien wird es nicht geben. Festgelegt ist in der entsprechenden EU-Vorschrift nämlich, dass das Geräusch auf das Fahrverhalten hinweisen soll, wie Straßenverkehrsteilnehmer das jetzt schon kennen: Beim Bremsen klingt es anders als beim Beschleunigen. Steigende Tonhöhe signalisiert, dass ein Auto näher kommt. Fastl forscht als Psychoakustiker unter anderem über die Grundlagen des Geräuschdesigns für E-Autos. Er testet, was von Konsumenten als hoch oder tief, billig oder teuer, sportlich oder brav empfunden wird. Die Hersteller lassen sich nicht in die Karten schauen, sagt er, auch wenn sie schon emsig am Entwickeln sind.

Bild nicht mehr verfügbar.

Als die E-Autos kamen, hieß es, es werde ruhiger. Als dieser Carsharing-Anbieter in Paris an den Start ging, wurde mit den leisen Autos geworben.
Foto: Christophe Ena/AP/dapd

Fastl weiß, wo der Spielraum liegt. Denn Sound ist nicht gleich Sound. Alleine die Geografie spielt eine Rolle. In Japan etwa empfindet man Glockenklänge als gefährlich, weil damit auch die Feuerwehr ausgerüstet ist. Für die Hersteller ist Soundengineering sehr wichtig, ganz abgesehen vom Fahrgeräusch, sagt der Forscher. "Wenn ein Kunde sich in ein Auto setzt, die Tür zuschlägt und es scheppert, kauft er das nicht. Da spielt sogar eine Rolle, wie ein Blinker klingt." Was die Geräusche außen betrifft, so kann der Kunde kaum mitreden. Möglich wäre, dass er sich innen ganz nach Geschmack einlullen kann: "Vielleicht kann er sich aussuchen, ob er heute in einem Porsche oder lieber in einem 2CV sitzen will", so Fastl.

Aber wie wird ein solcher Sound designt? "Wir haben zunächst ein Grundgeräusch, dem wir eine Tonhöhe zuordnen", sagt Fastl. Dabei bewege man sich im mittleren Frequenzbereich. Für sehr tiefe Frequenzen müssten die Lautsprecher am Auto sehr groß sein, zu hohe werden von älteren Menschen nicht wahrgenommen. Die Tonhöhe kann außerdem einen Hinweis geben, wie schnell das Auto fährt. Frequenzbereich, Klangfarbe, dazu kommt das, was Fastl Rauigkeit nennt, ein schneller Wechsel der Lautstärke, was von Menschen als sportlich empfunden wird, man könne an vielen Schrauben drehen. Absurdes oder Skurriles erwartet der Forscher von den Herstellern nicht. Das regle der Markt: "In Japan gab es den Fall, dass das Auto Geräusche machte, die auf eine schnellere Beschleunigung hinwiesen, als sie es tatsächlich war. Die Menschen fanden das nicht gut, deswegen ist man davon schnell wieder abgekommen."

Die Autobauer stecken viel Energie in den Sound ihrer Modelle. Solche Boliden klingen eher sonor.
Foto: Jaguar

Manchen geht die neue Vorschrift nicht weit genug. Beim heimischen Blindenverband ist man zwar froh, dass der Pausenknopf ausgeschaltet wurde. Präsident Markus Wolf findet aber weniger gut, dass das Avas nur bis zu 20 km/h Warngeräusche abgibt und dass bestehende geräuscharme Fahrzeuge nicht nachgerüstet werden. Außerdem hält er die veranschlagte Lautstärke (50 dB bei 10 km/h, 56 dB bei 20 km/h 47 dB beim Rückwärtsfahren) für zu leise. Hans-Jürgen Salmhofer, zuständig im Verkehrsministerium, sagt, dass es sich ohnehin nur um einen ersten Kompromiss handle. Mit all seinen Nachteilen, denn auch neue Benziner sind leise, Fahrräder sowieso, die immer häufiger im Stadtbild auftauchenden E-Roller auch. Künftig könnte es sein, dass ein nicht akustisches Signal warnt – etwa indem per Handy und/oder App kommuniziert wird. Das E-Auto könnte dann zum Beispiel nur bei Gefahr ein Warnsignal ausstoßen. (Regina Bruckner, 26.11.2018)