Martin Vischer (Maulwurf, li.), Marta Kizyma (Das Mädchen, versteckt im Hintergrgund) und Sven Dolinski (Wasserratte) im Burgtheater-Kasino.

Foto: Reinhard Werner/Burgtheater

Nicht allen Kindern ab sechs Jahren wird das Privileg des Stofftiers zuteil, das, in den Armen des "Mädchens" (Marta Kizyma) zur Ruhe gewiegt, in den Genuss einer ungemein ausführlichen Gutenachtgeschichte kommt. Die Uhr schlägt vier Uhr nachmittags im Kasino des Wiener Burgtheaters. Bis zum Einsetzen des gesunden Frühabendschlafes bleibt noch genügend Zeit, um sich in den entzückenden Erziehungsroman Der Wind in den Weiden (1908) des Schotten Kenneth Grahame zu vertiefen. In England genießt der Schmöker verdientermaßen Kultstatus.

Und wo in der illustrierten Buchausgabe (Verlag Urachhaus) das herrlichste Dickicht der Edward'schen Epoche blüht, da schießt im Kasino die Fantasie ins Kraut. In ihren Löchern vergraben (Maulwurf) oder in gut verproviantierten Barken (Wasserratte) schaukelnd, fürchten die lieben Tiere nichts mehr als die Störung ihrer Ruhe. Sie, allesamt Bewohner des Flussufers, tragen hübsche Masken. Ihre ganze Freude ist der Verzehr von Leckerbissen wie "Maden im Speckmantel" oder "Mousse en Kakerlak".

Unschöner Wirbel

Leider sorgt ein Rowdy in Gestalt des "Kröterichs" (Simon Jensen) für unschönen Wirbel. In Alexander Wiegolds epischer Inszenierung bildet die Zähmung dieses Widerspenstigen den Vorwand für eine Reihe entzückender Ideen. Die Kröte selbst ist ein allerdings grenzwertig nervöser Bastard aus Harry-Potter- und Austin-Powers-Filmen. Zur Last gelegt werden "ihm" rücksichtsloses Tempobolzen mit dem Auto und ein unbedingt skandalös lockerer Umgang mit dem materiellen Eigentum anderer.

Für die Schauwerte in allen Farben der Jahreszeiten sorgt der Beamer. Ein Quartett Kaninchen ist beim Krawallschlagen behilflich, ein sehr würdiger Dachs (Marcus Kiepe) leistet Unverzichtbares bei der Lösung kniffliger Territorialprobleme. Ganz zu schweigen von der Anmut dressierter Pferde (Elisabeth Augustin) und von der Querköpfigkeit waschechter "Menschen".

Tadellos aufgeweckt

Die Erziehung eines vom Rausch der Geschwindigkeit Mitgerissenen gestaltet sich pädagogisch schwierig. Was noch etwas schwerer wiegt: Der Halbdämmer auf der Bühne (Ausstattung: Vanessa Eder-Messutat, Wiegold) lässt tatsächlich Gedanken an Ermüdung aufkommen. Ein Roman bleibt halt doch ein Roman, selbst wenn man ihn zu träumen meint. Aber insgesamt ist die Aufführung eine tadellos aufgeweckte Gelegenheit, sich und den lieben Kleinen das Warten auf das Christkind zu versüßen. (Ronald Pohl, 25.11.2018)