Pendler und Pendlerinnen kommen zu den Tagesrandzeiten ans Ziel. In den Mittagsstunden könnte es am Montag allerdings turbulent werden.

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"Für Montag, 26. November, in der Zeit zwischen 12 und 14 Uhr hat die Gewerkschaft österreichweite Warnstreiks angekündigt." Mit gewohnt freundlicher Sachlichkeit bereitete Chris Lohner Bahnkunden schon am Wochenende mit Durchsagen an den Bahnhöfen auf mögliche "Einschränkungen im Zugverkehr" vor. Nun zieht die Bahn die Notbremse und fährt vorsorglich den Zugverkehr herunter. Obwohl die Wirtschaftskammer am Sonntag ein substanziell verbessertes Angebot vorgelegt habe, halte die Gewerkschaft am angekündigten Warnstreik für 12 bis 14 Uhr fest, teilte die ÖBB kurz nach 11 Uhr mit.

Hintergrund: Die Gewerkschaft Vida rund um den ÖBB-Betriebsratsvorsitzenden Roman Hebenstreit hat eine Stunde vor dem angedrohten Streikbeginn noch keine Details zu möglichen Streikorten bekanntgegeben. Aus Gründen der betrieblichen Sicherheit habe man deshalb beschlossen, den Zugverkehr um 12 Uhr österreichweit vorübergehend einzustellen.

Keine Informationen

Kunden wurden bis dahin auf die ÖBB-Website verwiesen, wo allerdings keine Informationen aufzufinden waren. "Derzeit ist uns nicht bekannt, welche Strecken oder Verbindungen von den Streiks betroffen sein werden", hieß es dort am Sonntagabend lapidar. Am Montag sah es nicht besser aus.

Nach Gesprächen am Sonntag unternahmen Gewerkschaft und Wirtschaftskammer am Montagvormittag einen letzten Versuch, eine Einigung im KV-Streit zu erzielen.
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Nur so viel ist sicher: Der ÖBB-Postbus steht nicht still. Und die Zugbindung von Sparschiene-Tickets wurde jedenfalls aufgehoben. Man ersuche Kunden, so weit wie möglich auf Züge außerhalb des betroffenen Zeitraums auszuweichen, so die ÖBB. Was man ebenfalls schon sagen konnte: Bei Zügen, die gegebenenfalls in den Bahnhöfen abgestellt werden, sollen Heizung und Strom funktionieren. Klar ist zudem, dass Kunden bei Zugausfall beziehungsweise Verspätung von über 60 Minuten einen Anspruch auf Fahrpreiserstattung haben.

Gespräch am Montag gescheitert

Beim Versuch, den Bahnstreik abzuwenden, setzten die Arbeitgeber auf Verhandlungen bis zur letzten Minute. Vida-Chefverhandler Hebenstreit und sein Team haben am Montag die um 10 Uhr begonnene Verhandlung eine Dreiviertelstunde später kommentarlos verlassen. Vida-Sprecherin Yvonne Heuber sagte, das "substanziell verbesserte Angebot" der Arbeitgeberseite sei ein "umfangreicher Forderungskatalog". Arbeitgeber-Chefverhandler Thomas Scheiber glaubt weiter an eine Lösung.

Auslöser für den möglichen Warnstreik sind die verfahrenen Kollektivvertragsverhandlungen für die rund 40.000 Eisenbahner. Der Stand der Dinge nach acht Verhandlungsrunden: Die Arbeitgeber bieten nach eigener Berechnung drei Prozent mehr Lohn, die Arbeitnehmer sehen eine deutlich geringere Steigerung von nur knapp über der Inflationsrate. Hebenstreit bezeichnet das Angebot der Arbeitgeber als "unwürdig". Konkrete eigene Forderungen nennt die Gewerkschaft nicht, die Arbeitgeber sagen aber, dass die Summe aller Forderungen zu einer Mehrbelastung von zehn Prozent führen würde.

Die Westbahn und der aufgezwungene Streik

"Wir finden es unverantwortlich, dass wir nach wie vor keine konkreten Informationen erhalten und somit tausende Fahrgäste nicht rechtzeitig im Detail über Zugausfälle und Alternativen informieren können", kritisierte ÖBB-Sprecher Sven Pusswald die Gewerkschaft. Ebenso unklar blieb zunächst, ob die private Westbahn den Zugverkehr uneingeschränkt aufrechterhalten kann.

Zunächst hatte der Westbahn-Betriebsrat am Sonntag angekündigt, sich dem Streikaufruf anzuschließen. Die Antwort des Managements erfolgte umgehend per Aussendung. Die Westbahn lasse sich durch die Gewerkschaft den Warnstreik nicht aufzwingen und werde für die Kunden unterwegs sein, hieß es darin. Bereits am Freitag war in einer Rundmail die Belegschaft aufgefordert worden, nicht am Warnstreik teilzunehmen. "Wir als Westbahn streiken nicht", hieß es darin.

Das Westbahn-Management wolle wie die ÖBB "selbstverständlich exakt wissen, wer streiken wird", zitiert Vida aus der Rundmail. Für den Streikzeitraum wurde laut Gewerkschaft ebenso mit dem Einbehalt des Entgelts gedroht wie bei der ÖBB. Die Vida wirft der ÖBB-Führung vor, Druck auf Mitarbeiter auszuüben, die am Warnstreik teilnehmen wollen. Konkret sollen sämtliche Führungskräfte angewiesen worden sein, teilnehmende Mitarbeiter namentlich zu erfassen und zu melden. "Die ÖBB stellen das Streikrecht selbstverständlich nicht infrage", versuchte das Unternehmen anschließend zu kalmieren.

Unfreundlicher Akt

Beobachter sehen in dem Vorgehen einen unfreundlichen Akt, der in dieser Form nicht üblich sei. Hintergrund ist, dass ein Arbeitgeber die streikenden Mitarbeiter nicht bezahlen muss, wenn er ihre Namen festhält. Diese müssten sich in Sachen Ersatzzahlung an die Gewerkschaft wenden. Wer kein Gewerkschaftsmitglied ist, hätte damit Pech. Was nicht heißt, dass nicht am Ende doch die Arbeitgeber die Kosten übernehmen, wie man aus anderen Kollektivvertragsverhandlungen weiß. Die Drohung mit der namentlichen Erfassung ist durchaus als Wink an den Verhandlungspartner zu verstehen. Findet man zu einer Einigung, gilt es als üblich, dass das Unternehmen zahlt.

Auf die Rundmail der Westbahn reagierte die Gewerkschaft empört mit einem offenen Brief an Westbahn-Gesellschafter Hans Peter Haselsteiner. Hebenstreit forderte Haselsteiner auf, die Aufforderung an die Mitarbeiter, dem Streikaufruf nicht Folge zu leisten, zu kommentieren. "Derartig Widerwärtiges schafft ein Klima voll von Angst und Schrecken. Das muss nicht sein, und dafür standen Sie nie", heißt es in dem Schreiben. (aha, ung, rebu, 26.11.2018)